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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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entschieden«, meinte Holmes lächelnd.
    »Sind Sie denn der Ansicht, ich sollte sie lieber abschreiben?«
    »Hätte eine Schwester von mir Aussicht auf diese Stelle, wäre mir dies nicht gerade erwünscht, das muss ich gestehen.«
    »Wie soll man sich nur alles erklären, Mr Holmes?«
    »Ohne nähere Anhaltspunkte möchte ich keine Vermutung aussprechen. Vielleicht haben Sie sich selbst eine Ansicht darüber gebildet?«
    »Ich kann mir nur eine einzige Erklärung dafür denken. Mr Rucastle machte einen sehr freundlichen, gutmütigen Eindruck. Wäre es nicht möglich, dass seine Frau verrückt ist und dass er dies geheimzuhalten sucht, damit sie nicht etwa in eine Anstalt verbracht wird, und dass er ihren tollen Launen in jeder Weise entgegenkommt, um einem Ausbruch vorzubeugen?«
    »Diese Erklärung hat, wie die Sache liegt, in der Tat am meisten für sich. So viel ist jedenfalls sicher, dass eine solche Häuslichkeit nichts Anziehendes für eine junge Dame hat.«
    »Aber das Gehalt, Mr Holmes, das Gehalt!«
    »Nun ja, freilich, die Bezahlung ist gut – zu gut; das ist es gerade, was mir nicht behagen will. Warum bezahlt man Ihnen 120 Pfund im Jahr, während unter gewöhnlichen Verhältnissen 40 Pfund vollauf genügen? Dahinter muss ein ganz gewichtiger Grund stecken.«
    »Ich dachte, es wäre gut, Sie in die Verhältnisse einzuweihen, damit Sie wissen, um was es sich handelt, falls ich später einmal Ihrer Hilfe bedürfen sollte. Das Bewusstsein, dass Sie hinter mir stehen, würde mir viel mehr Mut verleihen.«
    »Nun, dieses Bewusstsein dürfen Sie getrost mitnehmen. Ich versichere Ihnen, dass Ihr kleines Problem das interessanteste zu werden verspricht, das mir seit mehreren Monaten vorgekommen ist. Es bietet einige Züge ganz besonderer, überraschender Art. Sollten Sie sich je einmal in Zweifel oder in Gefahr befinden ...«
    »Gefahr? – Was für eine Gefahr denken Sie sich als möglich?«
    Holmes schüttelte ernst den Kopf. »Könnten wir uns darüber bestimmt aussprechen, wäre es ja keine Gefahr mehr. Doch es bedarf nur eines Telegramms, und ich werde zu jeder Tages- oder Nachtstunde zu Ihrem Beistand bereit sein.«
    »Das genügt.« Damit erhob sie sich frisch und munter, und ihre Züge zeigten keine Spur von Ängstlichkeit mehr. »Nun gehe ich ganz guten Mutes meiner neuen Bestimmung entgegen. Ich werde Mr Rucastle unverzüglich schreiben, mein teures Haar heute Abend opfern und morgen nach Winchester fahren.«
    »Die junge Dame scheint mir Manns genug zu sein, sich selbst zu beschützen«, bemerkte ich, als wir ihren raschen, festen Schritt auf der Treppe hörten.
    »Sie wird es wohl auch tun müssen«, erwiderte Holmes ernst; »wenn ich mich nicht sehr täusche, werden wir schon in wenigen Tagen Nachricht von ihr erhalten.«
    Es dauerte auch gar nicht lange, so ging seine Vorhersage in Erfüllung. Während der nächsten vierzehn Tage ertappte ich meine Gedanken häufig auf der Wanderung zu dem alleinstehenden Mädchen, das vom Schicksal auf einen so rätselhaften Irrweg verschlagen worden war. Das ungewöhnlich hohe Gehalt, die sonderbaren Bedingungen, die leichten Obliegenheiten – dies alles war ganz gegen die Regel, und doch konnte ich schlechterdings nicht mit mir darüber ins Reine kommen, ob es sich dabei nur um eine verrückte Laune oder um einen verbrecherischen Zweck handelte und ob der Mann ein philanthropischer Schwärmer oder ein Schurke war. Was Holmes betrifft, so sah ich ihn oft eine volle halbe Stunde lang mit gerunzelten Brauen in tiefes Nachdenken versunken dasitzen; fing ich jedoch von der Sache an, winkte er immer ab. »Tatsachen, Tatsachen!«, rief er ungeduldig aus. »Ich muss doch vor allem festen Grund unter den Füßen haben.« Wenn er sich aber dann erhob, machte er jedesmal die Bemerkung, seiner eigenen Schwester würde er niemals gestattet haben, eine derartige Stelle anzunehmen. Das erwartete Telegramm traf eines Abends spät ein, als ich eben im Begriff war, mich zurückzuziehen, und Holmes sich anschickte, seine geliebten chemischen Untersuchungen anzustellen, die ihn die ganze Nacht festhielten; hatte ich ihn doch schon oft abends über seine Gefäße und Gläser gebeugt verlassen und ihn am nächsten Morgen zur Frühstücksstunde noch in derselben Stellung getroffen. Er riss den gelben Umschlag auf, überflog den Inhalt der Depesche, und dann reichte er sie mir.
    »Sehen Sie gleich die Züge im Kursbuch nach«, sagte er dabei, indem er sich wieder seiner Beschäftigung

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