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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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bedeuten hat, und vor allem, was ich tun soll.«
    Wir beide hatten mit atemloser Spannung diesem merkwürdigen Bericht zugehört. Nun erhob sich Holmes und schritt, die Hände in den Rocktaschen und mit dem Ausdruck tiefsten Ernstes, im Zimmer auf und ab.
    »Ist Toller noch betrunken?«, fragte er.
    »Ja; ich hörte, wie seine Frau zu Mr Rucastle sagte, sie könne gar nichts mit ihm anfangen.«
    »Das ist gut. Und Rucastles gehen heute Abend aus?«
    »Ja.«
    »Ist ein Keller mit gutem, festem Schloss vorhanden?«
    »Jawohl. Der Weinkeller.«
    »Nach meinem Dafürhalten, Miss Hunter, haben Sie in dieser Sache bis jetzt recht viel Mut und Umsicht bewiesen. Glauben Sie, dass Sie noch etwas Weiteres leisten könnten? Ich würde die Frage nicht an Sie richten, wenn ich Sie nicht für eine Ausnahme unter den Frauen hielte.«
    »Ich will sehen, ob ich es vermag. Was ist es?«
    »Wir werden gegen sieben Uhr in Copper Beeches eintreffen, mein Freund und ich. Die Rucastles sind wohl um diese Zeit bereits fort, und Toller wird hoffentlich noch nicht wieder zu sich gekommen sein. Die einzige, die dann allenfalls noch Lärm machen könnte, ist also Tollers Frau. Wenn Sie diese mit irgendeinem Auftrag in den Keller schicken und denselben hinter ihr abschließen könnten, so würden Sie uns die Sache außerordentlich erleichtern.«
    »Ich bin dazu bereit.«
    »Vortrefflich. Nun wollen wir einmal das Ding genauer ins Auge fassen. Selbstverständlich gibt es nur eine einzige mögliche Erklärung. Sie sind hier, um irgendeine andere Person vorzustellen, und diese Person selbst wird in dem Zimmer gefangen gehalten. Das liegt ja auf der Hand; und die Gefangene ist, wie ich nicht im Mindesten bezweifle, die Tochter, Miss Alice Rucastle, wenn ich mich recht erinnere, die sich angeblich in Amerika befindet. Jedenfalls ist die Wahl auf Sie gefallen, weil Sie ganz dieselbe Größe, Figur und Haarfarbe haben. Ihr hatte man höchst wahrscheinlich infolge irgendeiner Krankheit, die sie durchgemacht hat, das Haar abgeschnitten, und so mussten Sie das Ihrige gleichfalls opfern. Durch einen merkwürdigen Zufall sind Ihnen die Strähnen in die Hände gefallen. Der Mann auf der Straße war zweifellos ein Bekannter von ihr, oder wohl ihr Verlobter – da Sie nun Miss Alices Kleider trugen und ihr so ähnlich sehen, so musste er aus Ihrer Heiterkeit bei seinem jedesmaligen Erscheinen und dann vollends aus Ihrer Handbewegung schließen, dass seine Angebetete völlig zufrieden sei und seine Aufmerksamkeiten ferner nicht wünsche. Der Hund wird nachts losgelassen, damit ihr Verehrer keinen Versuch macht, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. So weit ist alles ganz klar. Den ernstesten Punkt bildet der Charakter des Kindes.«
    »Was in aller Welt hat denn das damit zu tun?«, rief ich aus.
    »Mein lieber Watson, wenn Sie sich in Ihrem Beruf als Arzt über die Neigungen eines Kindes Aufschluss verschaffen wollen, so studieren Sie jedesmal dessen Eltern. Sehen Sie denn nicht ein, dass das umgekehrte Verfahren ganz dieselbe Berechtigung hat? Ich habe oft und viel wirkliches Verständnis für den Charakter der Eltern erst durch das Studium ihrer Kinder gewonnen. Dieses Kind hat einen abnormen Hang zur Grausamkeit, und mag dieser nun von seinem stets lächelnden Vater herrühren, wie ich vermute, oder von seiner Mutter – jedenfalls bedeutet er nichts Gutes für das arme Mädchen, das sich in ihrer Gewalt befindet.«
    »Sie haben ganz gewiss Recht, Mr Holmes«, rief Miss Hunter aus. »Es fallen mir jetzt tausenderlei Dinge wieder ein, die mir beweisen, dass Sie das Richtige getroffen haben. Oh, wir wollen keinen Augenblick verlieren, um dem armen Geschöpf zu Hilfe zu kommen.«
    »Wir müssen vorsichtig zu Werke gehen, denn wir haben es mit einem ganz durchtriebenen Patron zu tun«, versetzte Holmes. »Vor sieben Uhr können wir nichts beginnen. Um diese Stunde werden wir bei Ihnen eintreffen, und dann wird das Rätsel bald gelöst sein.«
    Ganz pünktlich um sieben Uhr fanden wir uns ein – unsern Wagen hatten wir in einem Wirtshaus an der Straße eingestellt. An der Baumgruppe mit ihrem dunklen Laub, das jetzt im Licht der sinkenden Sonne einen blinkenden Metallglanz ausstrahlte, würden wir das Haus sofort erkannt haben, auch wenn Miss Hunter nicht freundlich lächelnd an der Haustreppe gestanden hätte.
    »Haben Sie es ausgeführt?«, fragte Holmes.
    Ein lautes, heftiges Pochen drang von unterhalb des Treppenhauses herauf. »Das ist Mrs Toller im

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