Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Schlussfolgerungen gefunden werden. Und doch wollte ich das nicht glauben; auch wies schon das Wort ›Hudson‹ darauf hin, dass sich die Mitteilung auf den von mir vermuteten Gegenstand bezog und dass sie eher von Beddoes als vom Matrosen herrührte. Ich versuchte es mit Rückwärtslesen, aber der Anfang ›Iltis ein eile da‹ war nicht eben ermutigend. Dann ließ ich jedes zweite Wort weg, jedoch weder die Wortfolge: ›die der auf‹ noch die andere: ›Zeit Jagd Hasen‹ versprach das Dunkel aufzuhellen. Dann aber, im nächsten Augenblick, hielt ich den Schlüssel des Rätsels in Händen; ich sah, dass das erste Wort und dann jedes weitere dritte zusammen eine Botschaft bildeten, die wohl geeignet sein konnte, den alten Trevor zur Verzweiflung zu bringen.
Kurz und glatt war die Warnung, wie ich sie nun meinem Gegenüber vorlas:
›Die Jagd geht an. Hudson hat alles gestanden. Fort von hier, eile!‹
Victor ließ sein Gesicht in seine zitternden Hände sinken. ›Ich denke, so ist’s‹, sagte er. ›Oh das ist schlimmer als der Tod, denn es bedeutet Schande obendrein! Aber was sollen die Wörter ›Wechsel‹, ›Förster‹, ›Iltis‹?‹
›Sie besagen für die Mitteilung selbst gar nichts, aber für uns ziemlich viel, wenn wir sonst kein Mittel hätten, den Absender zu entdecken: Siehst du, er hat zuerst geschrieben: ›Die – – Jagd – – geht – – an‹ und so weiter. Dann hatte er gemäß der Verabredung zwischen je zwei Wörter zwei andere zu setzen. Naturgemäß brauchte er die Wörter, die ihm zuerst in den Sinn kamen, und da sich darunter so viele auf den Jagdsport bezügliche befinden, so kann man ziemlich sicher sein, dass der Schreiber ein leidenschaftlicher Waidmann oder Schütze ist. Weißt du etwas von diesem Beddoes?‹
›Allerdings, jetzt, da du mich daran erinnerst, fällt mir ein, dass mein Vater jeden Herbst eine Einladung zur Jagd von ihm erhielt.‹
›Dann geht das Schreiben zweifellos von ihm aus‹, sagte ich, ›und wir haben nur noch das Geheimnis aufzudecken, das der Matrose drohend über die Häupter dieser beiden begüterten und geachteten Männer, zu halten scheint.‹
›Oh weh, Holmes! Ich fürchte, es steckt Sünde und Schande dahinter‹, stöhnte mein Freund. ›Aber vor dir habe ich kein Geheimnis. Hier ist das Schreiben, das mein Vater verfasst hat, als er sah, dass die von Hudson drohende Gefahr immer näher rückte. Ich fand es im japanischen Zimmer, wie er dem Arzt gesagt hatte. Nimm und lies es mir vor! Denn mir fehlt Kraft und Mut, es selbst zu tun.‹
Und das hier sind eben die Papiere, Watson, die er mir einhändigte, und ich will sie Ihnen vorlesen, wie ich sie ihm in jener Nacht in dem alten Studierzimmer vorgelesen habe. Sie tragen, wie Sie sehen, die Aufschrift: ›Erlebnisse auf der Fahrt der Barke »Gloria Scott«, die Falmouth am 8. Oktober 1855 verließ und am 6. November 15 Grad 20 Minuten nördlicher Breite, 25 Grad 14 Minuten westlicher Länge unterging.‹ Der Bericht ist in Form eines Briefes verfasst und lautet:
›Mein lieber, lieber Sohn! Jetzt, wo der Augenblick der Schmach herannaht und schon seinen dunklen Schatten auf meinen Lebensabend wirft, kann ich es mit voller Wahrheit und Aufrichtigkeit niederschreiben: Nicht der Schrecken des Gesetzes, nicht der Verlust meiner weithin angesehenen Stellung, auch nicht mein Sturz in den Augen aller meiner Bekannten schneidet mir so ins Herz, wie der Gedanke, dass du über mich wirst erröten müssen – du, der mich liebt, und der, hoffe ich, selten Grund hatte, mich anders als mit Achtung anzusehen. Wenn mich aber der Schlag trifft, der mir ständig droht, dann wünsche ich, sollst du dies lesen und von mir selbst ungeschminkten Bericht erhalten, aus dem du das Maß meiner Schuld ersehen kannst. Sollte jedoch alles gut ablaufen – was Gott der Allmächtige geben möge – und dieses Schreiben aus irgendeinem Zufall noch nicht vernichtet sein und dir in die Hände fallen, dann beschwöre ich dich bei allem, was dir heilig ist, bei dem Andenken an deine teure Mutter und an die Liebe, die uns verbunden hat, wirf es ins Feuer und tilge es ganz aus deinem Gedächtnis!
Wenn also dein Auge diese Zeilen liest, werde ich schon angeklagt und vor Gericht geschleppt sein oder, was wahrscheinlicher ist – denn du kennst meine Herzschwäche –, mit auf immer versiegelter Zunge als Beute des Todes daliegen. In beiden Fällen ist die Zeit der Vertuschung vorbei, und jedes Wort, das du hier liest,
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