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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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reisten, erzählt. Beide hatten, hieß es, tödliche Dolchstiche erhalten, und die ungarische Polizei nahm an, die beiden hätten Streit miteinander bekommen und sich gegenseitig verletzt. Holmes scheint mir aber die Sache anders anzusehen und ist noch heute der Meinung, dass man von der Griechin, wenn man sie auffände, hören könnte, wie das ihr und ihrem Bruder angetane Unrecht gerächt worden ist.

D ER M ARINEVERTRAG
    Zu meinen besten Kameraden während der Schulzeit gehörte ein Knabe namens Percy Phelps; wir standen im gleichen Alter, doch war er mir um zwei Klassen voraus. Wegen seiner großen Begabung fielen ihm alljährlich die Preise zu, welche die Schule zu vergeben hatte, und noch beim Abgang verschaffte ihm sein vorzügliches Examen ein Stipendium, in dessen Besitz er seine Studien auf der Universität Cambridge mit Glanz fortsetzen konnte.
    Ich erinnere mich, dass er vornehme Verwandte hatte; sein Oheim mütterlicherseits war Lord Holdhurst, der berühmte Abgeordnete der konservativen Partei. Das wussten wir schon als ganz kleine Knaben, doch brachte es Phelps in der Schule keinerlei Vorteil; es war für uns nur ein Grund mehr, ihn tüchtig auf dem Spielplatz herumzuhetzen oder ihm, wenn sich die Gelegenheit bot, den großen Ball ans Schienbein zu werfen.
    Bei seinem Eintritt in die Welt wurde das natürlich nicht anders. Ich hörte noch gerüchtweise, er habe auf Verwendung einflussreicher Personen eine gute Anstellung im Auswärtigen Amt erhalten, für die ihn seine Begabung befähigte; dann verlor ich ihn jahrelang ganz aus dem Gesicht, bis er sich mir eines Morgens durch den folgenden Brief ins Gedächtnis zurückrief:
    Brierbrae, Woking
    Mein lieber Watson!
    Ohne Zweifel erinnerst Du Dich noch von der Schulzeit her an Phelps, genannt »Kaulquappe«, der in der fünften Klasse war, als Du die dritte besuchtest. Möglicherweise hast Du auch erfahren, dass mir mein Onkel eine Stelle im Auswärtigen Amt verschafft hat. Diesen ehrenvollen Vertrauensposten habe ich seither bekleidet, aber ein entsetzliches Missgeschick hat mit einem Schlag meine ganze Zukunft vernichtet.
    Es würde zu weit führen, wollte ich Dir mein Unglück schriftlich auseinandersetzen; falls Du auf meine Bitte eingehst, wirst Du ohnehin alle Einzelheiten aus meinem Mund hören müssen. Ich bin eben erst von einem Nervenfieber genesen, das mich neun Wochen lang ans Bett gefesselt hat, und ich fühle mich noch recht schwach. Könntest Du mich wohl besuchen und Deinen Freund Holmes veranlassen, Dich zu begleiten? Ich möchte gerne seine Ansicht über den Fall hören, trotz der Versicherung der Polizei, dass sich nichts mehr tun lässt. Bitte bring ihn so bald wie möglich hierher; jede Minute wird mir zur Ewigkeit, so lange ich noch in dieser entsetzlichen Spannung lebe. Sage ihm, dass es nicht ein Beweis von mangelndem Vertrauen ist, wenn ich ihn erst jetzt um Rat frage; ich war seit jenem Schicksalsschlag wie von Sinnen. Jetzt bin ich zwar wieder zu mir selbst gekommen, doch wage ich kaum an die Geschichte zu denken, weil ich einen Rückfall fürchte. Noch fühle ich mich nicht einmal stark genug, um selber zu schreiben, und muss diese Zeilen diktieren.
    Nicht wahr, Du kommst zu Deinem Freund,
    zu Deinem alten Schulkameraden
    Percy Phelps.
    Es lag etwas so Hilfloses und Rührendes in der Art, wie er mich wiederholt anflehte, Holmes zu ihm zu bringen, dass ich nichts unversucht gelassen hätte, um seinen Wunsch zu erfüllen. Doch kannte ich Holmes gut genug, um zu wissen, dass er jedem Klienten seine Dienste aufs Bereitwilligste zur Verfügung stellte, wenn es galt, seine Kunst auszuüben. So beschloss ich denn, ihn ohne Zögern aufzusuchen und betrat schon eine Stunde nach dem Frühstück meine frühere Wohnung in der Baker Street.
    Sherlock Holmes saß im Schlafrock an einem Seitentisch und war eifrig mit einer chemischen Analyse beschäftigt, über der bläulichen Flamme des Bunsenbrenners siedete und brodelte in der Retorte eine Flüssigkeit, deren destillierte Tropfen sich in einem Zweilitermaß sammelten. Als ich eintrat, hob mein Freund kaum den Blick; das Experiment, welches er vorhatte, mochte wohl sehr wichtig sein. Ich setzte mich in einen Lehnstuhl und wartete, während er seine Pipette bald in diese, bald in jene Flasche eintauchte. Endlich trat er mit der fertigen Lösung im Reagenzglas vor mich hin, in der Rechten einen Streifen Lackmuspapier haltend.
    »Sie kommen gerade in einem kritischen Moment, Watson«, sagte

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