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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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der Türhüter eine kleine Kammer, wo er die Nacht über bleibt; die Beamten, welche Überstunden machen, lassen sich häufig von ihm auf seiner Spirituslampe Kaffee kochen. Ich klingelte, damit er heraufkommen sollte.
    Zu meiner Verwunderung erschien statt seiner eine große ältliche Frau mit groben Gesichtszügen. Sie hatte eine Schürze vor und sagte mir, sie sei des Türhüters Frau und als Putzerin im Haus beschäftigt. So bestellte ich denn meinen Kaffee bei ihr.
    Ich schrieb noch zwei Artikel ab und wurde immer schläfriger, sodass ich, um mich wach zu erhalten, ein paar Mal im Zimmer auf- und abging. Warum nur der Kaffee nicht kam? – Ich öffnete die Tür und trat hinaus, um die Ursache der Verzögerung zu ergründen. Aus meinem Arbeitszimmer, das keinen anderen Ausgang hat, führte ein gerader, schwach erleuchteter Korridor bis zu einer gewundenen Treppe, welche unten im Hausflur mündete, an dessen Ende man zur Stube des Türhüters gelangt. Ist man die Treppe zur Hälfte hinuntergegangen, so kommt man an einen Absatz, von dem aus ein zweiter Korridor im rechten Winkel zur Hintertreppe und nach einer Seitentür führt. Dieser Eingang wird nicht nur von der Dienerschaft benützt, sondern auch von den Angestellten, wenn sie aus der Charles Street kommen und ihren Weg abkürzen wollen. Hier ist eine rohe Skizze der ganzen Örtlichkeit.«
    »Danke sehr. Ich glaube, Ihren Ausführungen gut folgen zu können«, sagte Sherlock Holmes.
    »Ich empfehle diesen Punkt Ihrer besonderen Beachtung, er ist von größter Wichtigkeit. – Die Treppe hinuntergehend, kam ich in den Flur und fand den Türhüter in seiner Kammer fest eingeschlafen. Im Kessel neben ihm kochte das Wasser so stark, dass es bis auf die Diele spritzte. Eben streckte ich die Hand aus, um den Mann aus dem Schlaf zu wecken, als eine Glocke, die über meinem Haupt hing, zu läuten begann, und er erschrocken auffuhr.
    ›Ach, Sie sind’s, Mr Phelps‹, sagte er, verwirrt um sich blickend.
    ›Ich bin heruntergekommen, um zu sehen, ob mein Kaffee fertig ist.‹
    ›Während das Wasser ins Kochen kam, bin ich eingeschlafen.‹ Er sah mich an und blickte dann mit wachsender Verwunderung nach der Glocke hinauf, die noch immer in zitternder Bewegung war.
    ›Wer hat denn aber geläutet, wenn Sie hier waren, Mr Phelps?‹
    ›Geläutet? – Was für eine Glocke ist das?‹, fragte ich.
    ›Die Glocke von Ihrem Büro.‹
    Mir stand das Herz still. – Also war jemand dort im Zimmer, wo das kostbare Schriftstück auf dem Tisch lag. – Wie wahnsinnig stürzte ich die Treppe hinauf und durch den Gang. Kein Mensch war im Korridor, Mr Holmes – kein Mensch war im Büro. Ich fand alles genau so, wie ich es verlassen – nur die mir anvertrauten Papiere waren von dem Schreibpult verschwunden, auf dem sie gelegen hatten. Die Abschrift war noch da, aber das Original war fort.«
    Holmes saß aufrecht in seinem Stuhl und rieb sich die Hände. Dies Rätsel war so recht nach seinem Herzen, das sah ich wohl. »Nun, und was taten Sie?«, murmelte er.
    »Ich wusste sofort, dass der Dieb die Hintertreppe heraufgekommen sein müsse. Auf dem Weg vom Haupteingang her wäre ich ihm natürlich begegnet.«
    »Sie sind überzeugt, dass er nicht die ganze Zeit über im Zimmer verborgen war oder im Korridor, von dem Sie sagten, er sei nur schwach erleuchtet gewesen?«
    »Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Weder das Zimmer noch der Korridor bieten das geringste Versteck.«
    »Ich danke Ihnen. Bitte fahren Sie fort.«
    »Der Türhüter hatte meine entsetzte Miene gesehen und kam hinter mir die Treppe hinauf. Wir liefen nun beide durch den Gang und die steile Stiege hinunter, die nach der Charles Street führt. Die Tür unten war nicht verschlossen; wir stießen sie auf und eilten hinaus. Im selben Augenblick hörte ich, wie die Uhr vom nahen Kirchturm drei Schläge tat. Es war dreiviertel auf zehn.«
    »Das ist ein höchst wichtiger Umstand«, sagte Holmes, während er die Zahl auf seiner Manschette notierte.
    »Draußen war dunkle Nacht, und es fiel ein feiner, warmer Regen. Auf der Charles Street ging kein Mensch, aber wo sie ganz am Ende mit Whitehall zusammenstößt, war wie gewöhnlich ein dichtes Gedränge. Barhäuptig liefen wir die Straße hinunter und trafen an der Ecke einen Polizisten.
    ›Ein Diebstahl‹, stieß ich keuchend heraus. ›Aus dem Ministerium des Äußeren ist ein Schriftstück von unermesslichem Wert entwendet worden. – Ist hier irgendjemand

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