Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
Statt selbst zu öffnen, überließen wir dies dem Mädchen. ›Mutter‹, hörten wir sie sagen, ›drinnen sind zwei Männer, die auf dich warten.‹ Sogleich vernahmen wir eilige Fußtritte im Gang; Forbes stieß die Tür auf, und wir stürzten beide nach dem Hinterzimmer, das als Küche diente, aber die Frau war schon vor uns da. Sie sah uns mit herausfordernden Blicken an, plötzlich aber erkannte sie mich, und ihr Gesicht verriet maßloses Erstaunen.
    ›Aber, das ist ja Mr Phelps aus dem Büro‹, rief sie.
    ›Vor wem sind Sie denn so davongelaufen – für wen hielten Sie uns?‹, fragte mein Gefährte.
    ›Die Gerichtsdiener‹, sagte sie. ›Wir haben mit einem Händler Streit gehabt.‹
    ›Das machen Sie einem anderen weis‹, versetzte Forbes. ›Wir haben allen Grund zu glauben, dass Sie ein wichtiges Schriftstück aus dem Büro mitgenommen haben und es jetzt hier beiseite bringen wollten. Es hilft nichts, Sie müssen mit uns zur Polizei, um sich durchsuchen zu lassen.‹
    All ihr Bitten und Widerstreben war umsonst. Wir besichtigten noch die ganze Küche und besonders den Herd genau, um zu sehen, ob sie den Augenblick, als sie allein war, nicht benutzt hatte, um die Papiere zu verbrennen; aber wir konnten weder Asche noch Papierfetzen entdecken. Dann fuhren wir beide mit ihr in der Droschke nach dem Polizeiamt, wo sie sogleich einer dazu angestellten Frau übergeben wurde. Ich wartete in wahrer Todesangst, bis diese kam, um Bericht zu erstatten. Von den Papieren hatte sich keine Spur gefunden.
    Da überkam mich zum ersten Mal das Bewusstsein meiner entsetzlichen Lage mit voller Gewalt. Bisher hatte ich handeln können, und mir war keine Zeit zum Überlegen geblieben. Ich hatte fest darauf gerechnet, den Vertrag auf der Stelle wiederzufinden; was aus mir werden sollte, wenn unsere Bemühungen fehlschlugen, daran wagte ich nicht zu denken. Doch jetzt ließ sich nichts mehr tun, und ich hatte Muße, mir meine Lage klar zu machen. Sie war fürchterlich. – Watson kann Ihnen sagen, dass ich schon in der Schule ein nervöser, leicht erregbarer Knabe war; das liegt in meiner Natur. Ich dachte an meinen Onkel und die anderen Minister, an die Schande, die ich ihm, mir und allen meinen Angehörigen bereitet hatte. Freilich war ich das Opfer eines außergewöhnlichen Missgeschicks; aber wer fragt danach, wo diplomatische Interessen auf dem Spiel stehen? Kein Zweifel – ich war hoffnungslos zu Grunde gerichtet und mit Schmach bedeckt. – Was ich damals tat, weiß ich nicht mehr, meine Aufregung war zu groß. Ich erinnere mich noch dunkel, dass die Beamten sich um mich versammelten und mich zu beruhigen suchten. Einer von ihnen fuhr mit mir bis zur Waterloo-Station und brachte mich in den Zug nach Woking. Wahrscheinlich hätte er mich bis hierher begleitet, wäre nicht Doktor Ferrier, der in unserer Nachbarschaft wohnt, zufällig auf der Bahn gewesen. Der Doktor hatte die Güte, mich in seine Obhut zu nehmen, und das war mein Glück, denn kurz nach der Abfahrt verfiel ich in Krämpfe, und bevor wir daheim ankamen, raste ich im Fieberwahn.
    Sie können sich den Schrecken meiner Angehörigen vorstellen, als sie, durch das Klingeln des Doktors aus dem Schlaf geweckt, mich in diesem Zustand sahen. Der armen Annie hier und meiner Mutter brach fast das Herz. Doktor Ferrier hatte von dem Polizisten auf der Bahn gerade genug erfahren, um einigermaßen erklären zu können, was vorgefallen sei, und sein Bericht war wenig geeignet, die Gemüter zu beruhigen. Jedenfalls war eine lange Krankheit bei mir im Anzug; Josef musste daher rasch aus seinem freundlichen Schlafzimmer im Erdgeschoss ausziehen, das in ein Krankenzimmer umgewandelt wurde. Mehr als neun Wochen habe ich hier bewusstlos und in Fieberraserei an einer Gehirnentzündung darnie-dergelegen. Nur dem Doktor und Miss Harrison verdanke ich es, wenn ich noch am Leben bin. Sie hat mich den Tag über gepflegt, und eine gemietete Wärterin wachte des Nachts bei mir; ich war gänzlich unzurechnungsfähig, man konnte mir alles zutrauen. Nur langsam wich meine Geistesumnachtung, und erst in den letzten drei Tagen ist mein Gedächtnis wieder ganz zurückgekehrt. Ach, ich wünsche manchmal, dass ich überhaupt nicht wieder zum Bewusstsein erwacht wäre! Gleich zuerst telegrafierte ich an Forbes, der den Fall in Händen hat. Er kam und versicherte mir, es sei alles Mögliche geschehen, doch habe man nicht die geringste Spur entdeckt. Der Türhüter und seine Frau waren

Weitere Kostenlose Bücher