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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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totenbleich.
    »Ich hab Ihnen alles gesagt, Herr.«
    »Nichts hinzuzufügen?«
    »Gar nichts, Herr.«
    »Dann muss ich ein paar Fragen an Sie richten. Als Sie sich gestern auf jenen Stuhl setzten, taten Sie das, um einen Gegenstand zu verbergen, der verraten haben würde, wer im Zimmer gewesen sei?«
    Bannister wurde ganz fahl.
    »Nein, Herr; sicher nicht.«
    »Es ist ja nur eine Frage«, sagte Holmes sanft. »Ich gestehe freimütig ein, dass ich es nicht beweisen kann. Aber es ist nicht allzu unwahrscheinlich, weil Sie im Augenblick, als der Herr Professor den Rücken der Tür zugewandt hatte, den Mann hinausgelassen haben, der sich dort im Schlafzimmer verborgen hatte. Denselben Mann, der sich Einblick in die Korrekturabzüge verschaffte.«
    Bannister leckte an seinen trockenen Lippen.
    »Da war kein Mann drin, mein Herr.«
    »Ach, das ist schade, Bannister. Bis jetzt haben Sie die Wahrheit gesprochen, aber nun weiß ich, Sie haben gelogen.«
    Das Gesicht des Dieners zeigte jetzt dumpfen Trotz.
    »Es war kein Mann drin, Herr.«
    »Gestehen Sie’s doch, Bannister, gestehen Sie’s!«
    »Nein, Herr, es war keiner drin.«
    »Dann können wir von Ihnen keine weitere Auskunft erwarten. Wollen Sie bitte einstweilen hierbleiben? Stellen Sie sich dort drüben neben die Kammertür. Nun muss ich Sie bitten, Herr Professor, die Güte zu haben, zu Mr Gilchrist hinaufzugehen und ihn zu ersuchen, hierherzukommen.«
    In der nächsten Minute kam der Lehrer zurück und brachte den Studenten mit. Er war eine stattliche männliche Erscheinung, ein schlanker, geschmeidiger, behänder Mensch mit elastischem Schritt und hübschem, offenem Gesicht. Seine unruhigen blauen Augen musterten uns der Reihe nach, bis er endlich in der Ecke den Diener gewahr wurde. Da trat die blasse Furcht auf seine Züge.
    »Erst die Tür zumachen!«
    Holmes setzte eine ernste, feierliche Miene auf.
    »Nun, Mr Gilchrist, wir sind hier ganz allein, und niemand braucht je zu erfahren, was wir hier unter uns verhandeln. Wir können ganz offen zueinander sprechen. Wir wollen wissen, wie Sie, Mr Gilchrist, ein ehrenhafter Mann, in aller Welt dazu gekommen sind, gestern eine solche Handlung zu begehen?«
    Der unglückliche junge Mann taumelte rückwärts und warf Bannister einen entsetzten und vorwurfsvollen Blick zu.
    »Nein, nein, Mr Gilchrist, ich habe kein Wort gesagt – nicht ein einziges Wort!«, rief der Diener.
    »Nein«, sagte Holmes, »aber eben haben Sie’s getan. Nun, Mr Gilchrist, Sie werden wohl selbst einsehen, dass nach diesen Worten Bannisters Ihre Lage hoffnungslos ist und dass Ihnen jetzt nur noch ein offenes Bekenntnis nützen kann.«
    Einen Augenblick fuhr sich der junge Mann mit der Hand über das Gesicht, als ob er seine verzerrten Züge befühlen wollte. Im nächsten warf er sich neben dem Tisch auf seine Knie, verbarg sein Gesicht mit den Händen und fing heftig zu schluchzen an.
    »Kommen Sie, stehen Sie auf«, sagte Holmes begütigend, »irren ist menschlich, und es kann Ihnen wenigstens niemand den Vorwurf der Verstocktheit machen. Es wird Ihnen wahrscheinlich schwerfallen, jetzt den Vorgang zu erzählen; so will ich’s lieber dem Herrn Professor sagen, wie sich alles zugetragen hat, und Sie können mich verbessern, wo ich irre. Ist’s Ihnen recht so? Nun, nun, antworten Sie nur. Hören Sie zu, und Sie werden sehen, dass ich Ihnen kein Unrecht tue.
    Von dem Augenblick an, Herr Professor, als Sie mir sagten, dass kein Mensch, selbst nicht einmal Bannister, gewusst habe, dass sich dieses wichtige Papier in Ihrem Zimmer befand, begann der Fall in meinem Geist eine bestimmte Gestalt anzunehmen. Den Drucker konnte man von vornherein aus dem Spiel lassen, denn er hätte den Inhalt ja in seinem eigenen Zimmer studieren können. Der Inder kam mir auch nicht verdächtig vor. Wenn der Abzug zusammengerollt war, konnte er kaum wissen, was es war, als er Sie besuchte. Andererseits schien es mir auch kaum denkbar, dass jemand in Ihrer Abwesenheit zufällig ins Zimmer treten sollte, gerade an dem Tag, wo der Korrekturbogen auf dem Tisch lag. Ich ließ also auch diese letzte Möglichkeit außer Acht. Der Mann wusste, dass die Papiere drin waren, ehe er hineinging. Wie hat er’s aber erfahren?
    Als ich in den Hof trat, betrachtete ich mir Ihr Fenster etwas genauer. Es belustigte mich, dass Sie vermuteten, ich erwöge die Möglichkeit, dass jemand am hellen Tag und bei so vielen Nachbarn sich durchs Fenstergitter gezwängt hätte. Ein solcher

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