Sherlock Holmes - gesammelte Werke
in seiner Hand glitzern sah. In dem Zimmer herrschte ein eigener scharfer Geruch, der mich sofort an eine Spelunke erinnerte, die wir in London einmal aufgesucht hatten, um einem französischen Verbrecher auf die Spur zu kommen. Holmes lachte über meine Ängstlichkeit und legte das Instrument auf den Tisch.
»Nein, nein, mein Lieber, Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. In diesem Fall ist’s kein Werkzeug des Bösen, vielmehr soll es den Schlüssel zur Auflösung unseres Geheimnisses bilden. Ich setze alle meine Hoffnungen auf diese Spritze. Ich bin gerade von einem kleinen Patrouillengang zurück; die Aussichten sind sehr günstig für uns. Nehmen Sie ein tüchtiges Frühstück, Watson, denn ich habe heute vor, Armstrongs Spur zu verfolgen, und, sobald ich einmal drauf bin, werde ich mir weder zum Ausruhen noch zum Essen Zeit nehmen, bis ich ihn aufgefunden habe.«
»In diesem Fall«, antwortete ich, »würden wir am besten unser Frühstück mitnehmen, denn er scheint früh aufzubrechen, sein Wagen steht schon vor der Tür.«
»Das schadet nichts. Lass ihn nur losfahren. Er soll sich wundern, ob ich ihm nicht überallhin folgen kann. Wenn Sie fertig gegessen haben, wollen wir zusammen hinuntergehen, und ich will Sie einem Detektiv vorstellen, der ein hervorragender Spezialist auf dem Gebiet ist, mit dem wir heute zu tun haben.«
Als wir unten im Hof waren, ging Holmes in einen Stall. Er machte den Deckel einer Kiste auf und heraus sprang ein kräftiger, weiß und braun gezeichneter Jagdhund mit langem Behang, eine Kreuzung von Schweiß- und Fuchshund.
»Darf ich Ihnen Pompey vorstellen?«, sagte mein Freund. »Er ist der Stolz der Cambridger Spürhunde; er läuft nicht übermäßig schnell, wie Sie aus seinem Bau erkennen werden, aber er hat eine ausgezeichnete Nase. Nun, Pompey, wenn du auch kein allzu guter Läufer bist, fürchte ich doch, dass du für ein paar Londoner Herren in mittleren Jahren noch ein zu rasches Tempo einschlägst, ich will daher so frei sein und diese lederne Leine an deinem Halsband festmachen. Nun komm, alter Freund, und zeig, was du kannst.«
Er führte ihn hinüber an die Toreinfahrt von Dr. Armstrongs Wohnhaus. Der Hund schnüffelte einen Augenblick, dann winselte er laut vor Begierde, und dann ging’s die Straße hinunter. In einer halben Stunde waren wir draußen vor der Stadt und eilten eine Landstraße entlang.
»Was haben Sie getan, Holmes?«, fragte ich ihn.
»Ich habe zu einer altbekannten und ehrwürdigen List meine Zuflucht genommen, die manchmal recht nützlich ist. Ich bin heute früh beim Doktor im Hof gewesen und hatte die Spritze voll Anisöl in meiner Hosentasche. Die Spitze hatte ich nach außen ein ganz klein wenig durchgestochen, und im Vorbeigehen habe ich das aromatische Ol völlig unbemerkt an das hintere Wagenrad gespritzt. Ein Spürhund verfolgt diese Anisfährte von hier bis nach Buxtehude, und unser Freund Armstrong kann so weit fahren, wie er Lust hat, ohne den guten Pompey loszuwerden. Oh, der alte Schlaumeier! Er soll mir diesmal nicht wieder entwischen wie vorgestern und gestern.«
Nun erklärte sich auch, warum mich jener Geruch sofort an die Franzosenkneipe erinnerte. Es war der Anisgeruch, der dem bei den Franzosen so beliebten Anislikör und dem Absinth entströmt.
Der Hund war plötzlich von der Hauptstraße ab und in einen Feldweg eingebogen. Nach einer halben Stunde führte er wieder auf eine Chaussee und beinahe wieder direkt in Richtung Stadt, wo wir hergekommen waren. Diese Straße machte eine Biegung nach Süden, ging dann aber wieder in entgegengesetzter Richtung weiter.
»Diesen Umweg hat er nur uns zu Gefallen gemacht«, sagte Holmes. »Da ist’s kein Wunder, dass meine Nachfragen in jenen Ortschaften resultados verlaufen sind. Der Doktor hat sich entschieden keine Mühe verdrießen lassen, uns hinter’s Licht zu führen, und ich möchte zu gerne wissen, was er mit dieser Täuschung bezweckt hat. Das Dorf dort zur Rechten muss Trumpington sein. Wahrhaftig! Hier kommt sein Wagen um die Ecke. Rasch, Watson, rasch, oder wir haben verloren!«
Er sprang über den Graben ins Feld, den betrübten Pompey hinter sich herziehend. Wir hatten uns kaum hinter einer Hecke verborgen, als das Fuhrwerk vorbeisauste. Ich sah flüchtig, dass Dr. Armstrong drin saß, niedergebeugt, den Kopf auf die Hände gestützt, ein Bild äußerster Sorge und Bekümmernis. An dem ernsten Gesicht meines Gefährten bemerkte ich, dass ihm dieser Anblick auch
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