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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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keinem Zweifel, dass das Bekanntwerden dieser Heirat das Ende der Erbschaft bedeutet hätte. Ich kannte den Jungen sehr gut und liebte ihn wegen vieler vorzüglichen Eigenschaften. Ich tat alles, was in meinen Kräften stand, um ihn vor Schaden zu bewahren. Wir boten alles auf, um die Sache vor allen zu verheimlichen, denn wenn so etwas erst mal durchsickert, dauert es nicht lange, so weiß es alle Welt. Dank dieser abgelegenen Wohnung und seiner eigenen Verschwiegenheit ist es Godfrey bis jetzt gelungen, das Geheimnis zu bewahren. Es kannte niemand außer mir und einem zuverlässigen Diener, der gegenwärtig nach Trumpington gegangen ist, um noch Hilfe zu holen. Aber endlich traf den armen Ehemann ein schwerer Schlag, seine Frau befiel eine gefährliche Krankheit. Es war Schwindsucht der schlimmsten Art. Der arme Mensch wurde beinahe von Kummer verzehrt und musste trotzdem nach London zum Wettspiel gehen, weil er sich dessen nicht entziehen konnte, ohne sein Geheimnis zu verraten. Ich suchte ihn durch ein Telegramm zu ermutigen, worauf er an mich depeschierte, dass ich alles tun sollte, was ich vermöchte. Das war das Telegramm, das Ihnen auf irgendeine unerklärliche Weise zu Gesicht gekommen ist. Ich hatte ihm nicht mitgeteilt, wie groß die Gefahr eigentlich war, denn ich wusste, dass er hier nichts an der Sache ändern konnte, aber dem Vater des Mädchens schrieb ich die Wahrheit, und er hat es nun unverständigerweise Godfrey hinterbracht. Das Resultat davon war, dass er in einem an Wahnsinn grenzenden Zustand hierherkam, und auch darin geblieben ist. Heute Morgen hat der Tod nun ihren Leiden ein Ende gemacht. Das ist der volle und wahre Sachverhalt, Mr Holmes. Ich glaube, dass ich mich auf Ihre und Ihres Freundes Diskretion fest verlassen kann.«
    Holmes reichte dem Arzt die Hand.
    »Kommen Sie, Watson«, sagte er alsdann; und wir verließen zusammen das Haus des Jammers und traten hinaus in den matten Schein der Wintersonne.
    1 Vgl. »Das letzte Problem« und »Im leeren Haus«.

D ER M ORD IN A BBEY G RANGE
    Es war an einem bitterkalten Wintermorgen des Jahres 1897, als jemand meine Bettdecke wegzog und mich munter machte. Es war Holmes. Die Kerze in seiner Hand warf einen hellen Schein auf sein Gesicht, und ich merkte auf den ersten Blick, dass er etwas Wichtiges vorhatte.
    »Kommen Sie, Watson, kommen Sie!«, rief er. »Die Jagd geht los. Keine Widerreden! In die Kleider und fort!«
    Nach zehn Minuten saßen wir beide bereits in einer Droschke auf dem Weg zur Station Charing Cross. Die Straßen waren noch leer, nur hie und da sahen wir in dem dunklen Londoner Nebel, der von den ersten Strahlen der Morgendämmerung schwach erleuchtet wurde, die verschwommenen, unbestimmten Umrisse eines Arbeiters, der früh an sein Tagewerk ging. Holmes hüllte sich schweigend in seinen schweren Überzieher, und ich tat das Gleiche, denn die Luft war eisig und wir hatten beide noch nichts im Magen. Erst als wir am Bahnhof etwas heißen Tee genossen und in dem Zug nach Kent unsere Plätze eingenommen hatten, waren wir so weit aufgetaut, dass er sprechen und ich zuhören konnte. Er nahm einen Brief aus der Tasche und las ihn mir laut vor:
    »›Abbey Grange, Marsham, Kent,
    3h 30m früh.
    Lieber Mr Holmes – ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sofort kommen wollten, um mir bei einem Fall, der außerordentlich merkwürdig zu werden verspricht, Ihre Hilfe zuteilwerden zu lassen. Es ist etwas nach Ihrem Geschmack. Außer der Befreiung der Dame will ich dafür sorgen, dass alles genauso bleibt, wie ich es angetroffen habe, aber ich bitte Sie, keinen Augenblick Zeit zu verlieren, weil es unmöglich ist, Mr Edward lange liegen zu lassen.
    Ihr ergebener Stanley Hopkins.‹
    Hopkins hat mich in sieben Fällen beigezogen, und jedes Mal war seine Aufforderung gerechtfertigt«, sagte Holmes. »Ich glaube, Sie haben jeden dieser Fälle in Ihre Sammlung aufgenommen, und ich muss gestehen, Watson, dass Sie eine glückliche Wahl zu treffen verstehen, die manches wiedergutmacht, was mir in Ihren Geschichten missfällt. Ihre leidige Gepflogenheit, alles vom Standpunkt des Erzählers statt von dem des Gelehrten zu betrachten, hat es verhindert, dass eine belehrende und vielleicht vorbildliche Serie klassischer Beweisfälle daraus geworden ist. Sie gehen über Stellen der schwierigsten und feinsten Geistesarbeit rasch hinweg, um bei sensationellen Einzelheiten desto länger zu verweilen, die ja den Leser fesseln mögen, aber sicher nicht

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