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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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lachte.
    »Damals kannte ich Sie noch nicht so gut, mein lieber Watson, und man muss diskret sein, wenn es sich um hohe Staatsangelegenheiten handelt. Sie würden gelegentlich aber auch recht haben, wenn Sie sagten: Er ist die englische Regierung.«
    »Mein bester Holmes!«
    »Ich wusste, dass Sie das überraschen würde. Mycroft bezieht vierhundertfünfzig Pfund Sterling jährliches Gehalt, bleibt in abhängiger Stellung, hat keinerlei Ehrgeiz, will weder Titel noch Orden, aber er bleibt der unentbehrlichste Mann im Land.«
    »Aber wie das?«
    »Nun, seine Stellung ist einzigartig. Er hat sie sich extra geschaffen. Etwas Ähnliches hat es nie vorher gegeben, noch wird es das später je wieder geben. Er hat das bestgeordnete, übersichtlichste Hirn, das heutzutage existiert, mit der denkbar größten Aufnahmefähigkeit für Tatsachen, die es sauber registriert und aufbewahrt. Dieselben besonderen Eigenschaften, die mich zum erfolgreichsten Detektiv machten, haben ihn in seinem Amt zum unentbehrlichsten Mann gemacht. Die Entschließungen usw. jeder Abteilung gehen ihm zu, und er ist die Ausgleichsbörse, das Clearinghouse sozusagen, das den Saldo zieht. Alle anderen hohen Staatsbeamten sind Spezialisten, aber seine Spezialität ist Allwissenheit. Nehmen wir an, ein Minister benötigt eine Information in Bezug auf irgendetwas, das zugleich die Marine angeht, so wie Indien, Kanada und die Silberwährung. Er könnte von den einzelnen Abteilungen je einen Sonderbericht erhalten, aber nur Mycroft allein kann diese in seinem Hirn alle zusammenfassen, mit einem Blick überschauen und ohne Weiteres sagen, wie ein jeder Faktor den anderen beeinflussen würde. In seinem Hirn muss es aussehen wie in einer großen Kartothek; jede Einzelheit aller Regierungsfragen steht ihm sofort zur Verfügung. Oft und oft hat sein Wort unsere englische Politik entschieden. Er lebt in ihr und für sie. Er denkt nichts anderes, ausgenommen wenn er einmal ausspannt und als eine Art geistiger Gymnastik sich mit meinen Detektivproblemen befasst, worum ich ihn gelegentlich bitte. Aber Jupiter begibt sich heute zu den Sterblichen hernieder. Was mag da los sein? Wer ist Cadogan West und was bedeutet er meinem Bruder Mycroft?«
    »Ich hab’s«, rief ich und machte mich über einen Haufen Zeitungen auf dem Sofa her. – »Ja, hier steht es; ganz richtig, Cadogan West ist der Name des jungen Mannes, der am Dienstag früh tot auf der Untergrundbahn gefunden wurde.«
    Holmes straffte sich wie ein Hühnerhund, der sein Wild wittert, und seine Hand hielt die Pfeife zwischen Tisch und Lippe, in ihrer Bewegung plötzlich erstarrt.
    »Das muss etwas äußerst Ernstes sein, Watson. Ein Todesfall, der meinen Bruder veranlasst, aus seinem Geleise zu springen, muss etwas ganz Besonderes sein. Was in aller Welt kann er damit zu tun haben? Der Fall sah ganz nichtssagend aus, soweit ich mich erinnere. Der junge Mann ist anscheinend aus dem Zug gefallen und dabei ums Leben gekommen. Er ist nicht beraubt worden, und es lag keinerlei Anlass vor, ein Verbrechen in den Bereich der Erwägungen zu ziehen. So ungefähr war es doch?«
    »Eine Untersuchung hat später noch stattgefunden«, sagte ich, »und dabei kam eine Menge neuer Tatsachen ans Licht. Aus der Nähe genau betrachtet hat der Fall doch ein sehr merkwürdiges Aussehen.«
    »Nach der Wirkung auf meinen Bruder zu urteilen, allerdings! Mycroft ist aus seinem Geleise gesprungen – das bringt nur ein Erdbeben fertig!« Er machte es sich in seinem Lehnstuhl bequem. »Nun, alter Watson, lassen Sie die Tatsachen hören.«
    »Der Name des Toten war Arthur Cadogan West. Er war siebenundzwanzig Jahre alt, ledig, und Büroangestellter im Arsenal von Woolwich.«
    »Regierungsangestellter. Beachte das Bindeglied mit meinem Bruder!«
    »Er verließ Woolwich plötzlich Montagabend. Zuletzt ist er gesehen worden von seiner Verlobten, Miss Violet Westbury, die er im Nebel ganz unvermittelt gegen sieben Uhr dreißig verließ. Sie hatten keinen Streit miteinander gehabt, und das Fräulein kann keinen Grund für sein Verhalten angeben. Das Nächste, was von ihm bekannt wurde, war die Nachricht, dass ein Schienenleger namens Mason seine Leiche dicht außerhalb der Aldgate Station der Untergrundbahn in London gefunden hatte.«
    »Wann?«
    »Die Leiche wurde um sechs Uhr früh am Dienstag entdeckt. Sie lag weitab von den Schienen, auf der linken Seite des Bahnkörpers (wenn man ostwärts schaut), nahe bei der Station, dort, wo die Bahn

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