Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Seekriegsführung mehr denkbar ist. Vor zwei Jahren wurde eine sehr große Summe durch das Budget geschmuggelt und dafür verwendet, uns das Monopol der Erfindung zu sichern. Es geschah alles, um das Geheimnis zu wahren. Die Konstruktionspläne, die äußerst verwickelt sind, enthalten gegen dreißig einzelne Patente, jedes wesentlich für das Ganze, und werden in einem erstklassigen Stahlschrank in einem geheimen Büro neben dem Arsenal, mit einbruchssicheren Türen und Fenstern, aufbewahrt. Unter keinerlei Bedingungen durften die Zeichnungen aus dem Büro entfernt werden. Wenn der Erste Konstruktionsoffizier der Marine sie einsehen wollte, war selbst er genötigt, zu dem Zweck nach Woolwich zu gehen. Und trotz alledem finden wir die Pläne in den Taschen eines jüngeren Bürobeamten mitten in London. Vom amtlichen Standpunkt aus ist es einfach grässlich.«
»Aber du hast sie alle wieder?«
»Nein, Sherlock, nein! Da liegt ja der Hund begraben. Wir haben sie nicht. Zehn Pläne sind in Woolwich gestohlen worden. Sieben fand man in den Taschen von Cadogan West. Die wichtigsten drei ...« Mycroft Holmes blies sich über die leere Fläche seiner Rechten. »Weg! Sherlock, du musst alles andere liegen lassen. Vergiss deine üblichen kleinen Häkeleien mit der Polizei. Du hast eine Aufgabe von internationaler Bedeutung zu bewältigen. Warum hat Cadogan West die Papiere gestohlen, wo sind die drei fehlenden, wie ist er gestorben, wie kam seine Leiche an den Fundort, wie kann der Schaden wiedergutgemacht werden? Finde die richtige Antwort auf alle diese Fragen, und du wirst dem Vaterland einen großen Dienst erwiesen haben.«
»Warum löst du die Aufgabe nicht selbst, Mycroft? Du siehst so weit wie ich.«
»Möglich, Sherlock. Aber es handelt sich hier um die Feststellung von Einzelheiten. Gib mir deine Einzelheiten, und von diesem Sessel aus will ich dir ein ausgezeichnetes fachmännisches Exposé zu dem Fall diktieren. Aber hierhin laufen, dorthin rennen, Eisenbahner ausfragen, auf dem Bauch liegen mit einer Lupe vor dem Auge – das ist nichts für mich. Nein, du bist der einzige Mensch, der den Fall aufklären kann. Wenn du Wert darauf legst, deinen Namen unter den nächsten Ordensverleihungen ...«
Mein Freund lächelte und wehrte mit der Hand ab.
»Ich spiele das Spiel lediglich um des Spieles willen«, sagte er. »Aber der Fall scheint einige interessante Schwierigkeiten zu bieten, und es wird mir ein Vergnügen sein, sie anzupacken. Einige weitere Unterlagen, bitte.«
»Ich habe die wichtigsten Daten hier auf diesem Bogen aufgeschrieben, dazu einige Adressen, die dir nützlich sein können. Der gegenwärtige amtliche Hüter der Papiere ist der berühmte Marinefachmann Sir James Walter, dessen Orden und Titel mehrere Zeilen der Rangliste füllen. Er ist im königlichen Dienst ergraut, ist ein Gentleman, ein bevorzugter Gast in den ersten Häusern Englands und vor allem ein Mann, dessen Vaterlandsliebe über jeden Zweifel erhaben ist. Er ist einer von den zweien, die einen Schlüssel zu dem Stahlschrank haben. Ich will noch nachtragen, dass die Pläne am Montag während der Arbeitszeit unzweifelhaft da waren, und dass Sir James ungefähr um drei Uhr nach London fuhr und den Schlüssel mitnahm. Er war den ganzen Abend im Haus des Admirals Sinclair am Barclay Place, während das Unglück geschah.«
»Ist diese Tatsache bestätigt?«
»Ja, sein Bruder, Oberst Valentine Walter, hat seine Abfahrt von Woolwich bezeugt, und Admiral Sinclair seine Ankunft in London; also ist Sir James nicht länger mehr ein unsicherer Faktor in der Sache.«
»Wer ist der andere Mann mit dem anderen Schlüssel?«
»Der Bürovorsteher und Zeichner Mr Sidney Johnson. Er ist ein Mann von vierzig Jahren, verheiratet, mit fünf Kindern – ein stiller, übellauniger Mann, aber er genießt in Bezug auf Zuverlässigkeit den besten Ruf im öffentlichen Dienst. Er ist unbeliebt bei seinen Kollegen, aber ein tüchtiger Arbeiter. Nach seinen eigenen Angaben, die mir seine Frau bestätigt hat, war er den ganzen Montagabend nach Büroschluss zu Hause, und sein Schlüssel ist nicht von der Uhrkette gekommen, an der er hängt.«
»Erzähl mir noch von Cadogan West!«
»Er ist seit zehn Jahren im Dienst und hat sich bewährt. Er hat den Ruf, ein Heißsporn zu sein, aber ein ehrlicher, gerader Mann. Wir haben nichts gegen ihn. Er war nach Sidney Johnson der Zweite im Büro. Seine Obliegenheiten brachten ihn täglich in persönliche Berührung mit
Weitere Kostenlose Bücher