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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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murmelte Holmes leise vor sich hin. »Rasch, rasch, wir müssen einen Ausweg finden! Wo ist das Kästchen?«
    »Noch im Schlafzimmer.«
    »Was für ’n Glück! Geschwind, gnädige Frau, Bringen Sie’s!«
    Im nächsten Moment erschien sie mit dem Korrespondenzkästchen.
    »Wie öffneten Sie es das erste Mal? Sie haben einen Nachschlüssel? Jawohl, gewiss haben Sie einen. Schließen Sie auf!«
    Sie zog einen kleinen Schlüssel aus ihrem Busen. Der Kasten wurde schnell aufgeschlossen. Er war vollgestopft mit Briefen. Holmes steckte den blauen Umschlag ganz unten hin zwischen andere Briefschaften. Das Kästchen wurde zugemacht, verschlossen und wieder ins Schlafzimmer gebracht.
    »Nun kann er kommen«, sagte Holmes, »wir haben noch immer zehn Minuten Zeit. Ich werde alles aufbieten, um Sie zu schützen. Ich bitte Sie nun, Ihrerseits diese Zeit dazu zu benutzen, mir frei und offen zu erzählen, wie sich diese außergewöhnliche Sache eigentlich verhält.«
    »Ich will Ihnen alles mitteilen, Mr Holmes«, rief sie. »Oh, Mr Holmes, ich würde mir lieber die Hand abhacken, als ihm Kummer machen! In ganz London gibt’s keine zweite Frau, die ihren Mann so liebt wie ich, und doch, wenn er wüsste, was ich getan habe – was ich zu tun gezwungen war – würde er mir nie verzeihen. Denn er steht selbst zu hoch, um einen Fehler eines anderen vergessen oder vergeben zu können. Helfen Sie, Mr Holmes! Mein Glück, sein Glück, ja unser Leben steht auf dem Spiel!«
    »Schnell, gnädige Frau, die Zeit ist bald abgelaufen!«
    »Es war ein Brief von mir, Mr Holmes, ein unvorsichtiger Brief, den ich vor der Ehe geschrieben hatte – ein törichter Brief, ein Brief eines impulsiven jungen Mädchens. Ich ahnte nichts Böses, aber er würde es doch für ein Verbrechen gehalten haben. Wenn er den Brief gelesen hätte, würde er sein Zutrauen für alle Zeit verloren haben. Es sind Jahre vergangen seitdem. Ich dachte, die ganze Sache wäre vergessen. Da erfuhr ich, dass er diesem Lucas in die Hände gefallen sei, und dass er ihn meinem Gatten geben würde. Ich bat ihn um Gnade. Er antwortete, dass er mir den Brief aushändigen wollte, wenn ich ihm dafür ein gewisses Schriftstück aus dem Briefkasten meines Mannes verschaffte; er beschrieb mir’s. Er hatte Spione im Büro, die ihm dessen Existenz verraten hatten. Er versicherte mir, dass es meinem Gatten nichts schaden würde. Versetzen Sie sich in meine Lage, Mr Holmes! Was sollte ich tun?«
    »Ihren Gemahl ins Vertrauen ziehen!«
    »Das ging nicht, Mr Holmes, das konnte ich nicht! Auf der einen Seite war mir der Ruin sicher; auf der anderen konnte ich, so schrecklich mir’s auch schien, meinem Mann einen Brief zu entwenden, die Folgen nicht übersehen, da es sich um politische Dinge handelte; aber in Bezug auf Liebe und Vertrauen waren sie mir nur zu klar. Ich tat’s, Mr Holmes! Ich machte einen Abdruck von seinem Schlüssel, und dieser Lucas lieferte mir einen zweiten. Ich öffnete das Kästchen, nahm den Brief und brachte ihn in die Godolphin Street.«
    »Was geschah dann weiter, gnädige Frau?«
    »Ich klopfte der Verabredung gemäß an die Haustür, Lucas öffnete. Ich folgte ihm in sein Zimmer, ließ aber die Tür etwas offen, weil ich mich fürchtete, mit dem Mann allein zu sein. Ich erinnere mich noch, dass ein Weib draußen herumschlich, als ich hineinging. Unser Geschäft war bald erledigt. Er hatte meinen Brief im Schreibpult liegen; ich gab ihm das Dokument und er mir den Brief. In diesem Augenblick pochte es draußen heftig an die Tür. Im Flur wurden Schritte hörbar. Lucas hob rasch den Teppich auf, steckte das Schriftstück an irgendeinen verborgenen Platz und deckte ihn wieder drauf.
    Was dann geschah, kommt mir vor wie ein schrecklicher Traum. Ich habe eine Vorstellung von einem dunklen, wütenden Gesicht, von einer Frauenstimme, die auf Französisch schrie: ›Mein Warten ist nicht umsonst. Endlich, endlich hab ich dich mit ihr erwischt!‹ Es entstand ein wilder Streit. Ich sah ihn mit einem Stuhl in der Hand, in ihrer blitzte ein Dolch. Ich stürzte hinweg von dem schrecklichen Schauplatz, hinaus aus dem Haus und erfuhr erst am nächsten Morgen durch die Zeitungen das grässliche Ende. Ich war glücklich in jener Nacht, hatte ich doch meinen Brief wieder, und was daraus folgen würde, wusste ich nicht.
    Erst am Morgen wurde mir klar, dass ich eine Sorge gegen eine andere vertauscht hatte. Die Angst meines Mannes über seinen Verlust ging mir zu Herzen. Ich konnte

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