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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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trotzdem unvorsichtig«, sagte Holmes kopfschüttelnd und mit sehr ernstem Gesicht. »Ich bitte Sie, Sir Henry, nicht allein auszugehen. Wenn Sie es tun, wird Ihnen irgendein großes Unglück zustoßen. Haben Sie Ihren anderen Schuh wiederbekommen?«
    »Nein, er ist verschwunden geblieben.«
    »Wirklich! Das ist sehr interessant. Nun, gute Reise«, sagte er noch, da der Zug den Bahnsteig entlang zu gleiten begann. »Beherzigen Sie, Sir Henry, einen von den Sätzen in der seltsamen alten Geschichte, die Dr. Mortimer uns vorgelesen hat, und meiden Sie das Moor in jenen Stunden der Finsternis, da die bösen Mächte ihr Spiel treiben!«
    Ich blickte noch einmal zum Bahnsteig zurück, als wir schon weit weg waren, und sah Sherlock Holmes’ große, ernste Gestalt regungslos dastehen und uns nachstarren.
    Die Reise verlief schnell und angenehm; ich benutzte sie, um mit meinen beiden Gefährten näher bekannt zu werden. Nach ein paar Stunden folgte dem braunen Boden rötliche Erde, statt der Ziegelhäuser sah man Granitbauten, und rote Kühe grasten auf wohlumzäumten Wiesen, deren saftiger und üppiger Graswuchs auf ein milderes, wenngleich auch feuchteres Klima hindeutete. Der junge Baskerville sah eifrig aus dem Fenster und stieß einen lauten Ruf des Entzückens aus, als er die altvertrauten Züge der Devonlandschaft wiedererkannte.
    »Ich habe ein gutes Stück von der Welt gesehen, seitdem ich von hier fortging, Dr. Watson, aber niemals sah ich eine Gegend, die sich mit dieser vergleichen lässt!«
    »Ich sah noch niemals einen Devonshirer, der nicht auf seine Heimat geschworen hätte«, bemerkte ich lachend.
    »Das liegt ebenso sehr an der Menschenrasse wie an der Gegend«, sagte Dr. Mortimer. »Ein flüchtiger Blick auf unseren Freund hier zeigt uns den runden Keltenschädel, worin sich keltische Begeisterungsfähigkeit und Anhänglichkeit birgt. Des armen Sir Charles’ Schädel bot einen sehr seltenen Typus; die Hauptkennzeichen waren teils gälisch, teils irisch. Aber Sie waren wohl noch sehr jung, als Sie das letztemal Baskerville Hall sahen, nicht wahr?«
    »Ich war ein halbwüchsiger Bursche, als mein Vater starb, und hatte unseren Stammsitz niemals gesehen, denn wir wohnten in einem kleinen Landhaus an der Südküste. Von dort ging ich geraden Weges zu einem Freund nach Amerika. Ich muss sagen, die Gegend von Baskerville Hall ist für mich so neu wie für Herrn Dr. Watson, und ich bin über die Maßen begierig, das Moor zu sehen.«
    »Wirklich? Nun, Ihr Wunsch ist schnell erfüllt, denn hier haben Sie den ersten Blick aufs Moor«, sagte Dr. Mortimer.
    Über den grünen Wiesenvierecken und einem niedrigen Wald erhob sich in der Ferne ein grauer, melancholischer Hügel mit seltsam zerklüftetem Gipfel, trübe und unbestimmt wie eine phantastische Traumlandschaft. Baskerville saß lange da, die Augen auf dieses Bild geheftet, und ich las auf seinem ausdrucksvollen Gesicht, wie tief ihn der erste Anblick der Gegend rührte, wo seine Vorväter so lange geherrscht und so tiefe Spuren hinterlassen hatten. Da saß der Mann mit seinem amerikanischen Akzent, in seinen eleganten Sommeranzug gekleidet, in der Ecke eines höchst alltäglichen Eisenbahnabteils; und doch, als ich ihm in das ausdrucksvolle Gesicht sah, da fühlte ich mehr denn je, dass er ein echter Spross jenes alten Geschlechtes von reinblütigen, feurigen Adligen war. Stolz, Tapferkeit, Kraft sprachen aus seinen buschigen Brauen, den beweglichen Nasenflügeln, den großen nussbraunen Augen. Wenn vielleicht auf jenem abschreckenden Moor ein schwer zu lösendes und gefährliches Rätsel unserer harrte, war er jedenfalls, das fühlte ich, ein Kamerad, für den man sich wohl in Gefahr begeben konnte, da man gewiss war, dass er sie mit mutigem Herzen teilen würde.
    Der Zug hielt an einer Zwischenstation, und wir stiegen aus. Draußen, jenseits des niedrigen weiß angestrichenen Holzzaunes, wartete ein zweispänniger Jagdwagen. Unsere Ankunft war augenscheinlich ein großes Ereignis, denn Bahnhofsvorsteher und Kofferträger drängten sich an uns heran, um uns das Gepäck zu besorgen. Es war ein hübscher ländlicher Ort, aber ich bemerkte mit Überraschung, dass an der Ausgangspforte zwei soldatisch aussehende Männer in dunklen Uniformen standen; sie lehnten sich auf ihre kurzen Büchsen und sahen uns, als wir an ihnen vorübergingen, mit scharf musternden Blicken an. Der Kutscher, ein knorriger kleiner Mann mit harten Gesichtszügen, begrüßte Sir Henry

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