Sherlock Holmes - gesammelte Werke
ich selber. Wenn Sie mit nach Baskerville Hall kommen und mir beistehen wollen, werde ich Ihnen das nie vergessen.«
Die Aussicht auf Abenteuer hatte stets einen berückenden Zauber für mich, auch schmeichelten mir Holmes’ anerkennende Worte und die Freudigkeit, womit der Baronet mich als Begleiter begrüßte. Ich sagte daher:
»Ich will mit Ihnen gehen, mit Vergnügen. Ich wüsste nicht, wie ich meine Zeit besser anwenden könnte.«
»Sie werden mir sehr getreulich Bericht erstatten«, sagte Holmes. »Wenn eine Krisis kommt – und es kommt eine, das ist ganz sicher –, so werde ich Ihnen Weisung geben, was Sie zu tun haben. Bis Samstag können Sie wohl mit allen Geschäften hier in London fertig sein?«
»Wäre das Doktor Watson recht?«
»Vollkommen.«
»Also treffen wir uns, wenn Sie keinen Gegenbescheid bekommen, am Samstag zum Halbelf-Zug am Bahnhof Paddington.«
Wir waren aufgestanden, um uns zu verabschieden, als plötzlich Baskerville einen Triumphruf ausstieß, nach einer der Zimmerecken stürzte und einen braunen Schuh unter einem Schrank hervorzog.
»Mein verloren gegangener Schuh!«, rief er.
»Mögen alle Ihre Schwierigkeiten sich so leicht lösen!«, sagte Sherlock Holmes.
»Aber das ist doch eine sehr sonderbare Sache«, bemerkte Doktor Mortimer. »Ich hatte vor dem Frühstück dies Zimmer ganz sorgfältig durchsucht.«
»Und ich auch«, sagte Baskerville. »Jeden Zoll breit!«
»Es war ganz bestimmt kein Schuh im Zimmer.«
»Dann muss der Kellner ihn hingestellt haben, während wir beim Frühstück saßen.«
Der Deutsche wurde gerufen, beteuerte aber, er wüsste von nichts, alles Fragen führte zu keinem Ergebnis.
Eine neue Zutat zu der fortwährend sich vergrößernden Reihenfolge von kleinen Geheimnissen, die uns in dem kurzen Zeitraum von zwei Tagen entgegengetreten waren: der Empfang des Briefes mit den Druckbuchstaben, der schwarzbärtige Spion in der Droschke, das Abhandenkommen des alten schwarzen und jetzt das Wiederauffinden des neuen braunen Schuhes. Holmes saß schweigend in der Droschke, worin wir in die Baker Street zurückfuhren, und ich sah an seinen gerunzelten Brauen und den scharf zusammengezogenen Gesichtszügen, dass sein Geist ebenso wie der meinige eifrig an der Arbeit war, eine Theorie auszudenken, in deren Namen alle diese seltsamen und anscheinend zusammenhanglosen Ereignisse sich einfügen ließen. Als wir zu Hause waren, saß er den ganzen Nachmittag und noch einen guten Teil des Abends in dicken Tabaksqualm eingehüllt und tief in Gedanken versunken.
Unmittelbar bevor wir zu Tisch gingen, wurden zwei Telegramme bestellt. Das erste lautete:
»Soeben erfahren, dass Barrymore in Baskerville Hall ist. Baskerville.«
Das zweite meldete uns:
»Weisungsgemäß dreiundzwanzig Hotels aufgesucht, ausgeschnittenes Timesblatt leider nicht auffindbar. – Cartwright.«
»Da reißen zwei von meinen Fäden, Watson! Nichts macht aber den Geist schärfer als ein Fall, wo alles schiefgeht. Wir müssen uns nach einer anderen Spur umsehen.«
»Wir haben noch den Droschkenkutscher, der den Spion fuhr.«
»Allerdings. Ich habe an die Zentralstelle für das Fuhrwesen telegrafiert, sie möchten mir Namen und Wohnung des Mannes mitteilen. ... Ich sollte mich nicht wundern, wenn wir hier die Antwort auf meine Frage bekämen.«
Es hatte in diesem Augenblick geschellt, und dieses Zeichen bedeutete sogar noch Besseres als eine bloße Antwort, denn die Tür ging auf und herein kam ein vierschrötiger Mann, offenbar der Kutscher selber.
»Ich kriegte Bescheid vom Amt«, sagte er, »ein Herr, der hier in der Baker Street wohnte, hätte nach mir gefragt. Ich habe meine Droschke nun schon sieben Jahre lang gefahren und nie ’ne Klage gehabt. Darum komme ich vom Stall und frage Sie gerade ins Gesicht, was Sie gegen mich haben.«
»Ich habe ganz und gar nichts gegen Sie, mein guter Mann«, sagte Holmes. »Im Gegenteil, ich habe einen halben Sovereign für Sie, wenn Sie mir klare und deutliche Antworten auf meine Fragen geben wollen.«
»Nu, ich hab ’n guten Tag gehabt und ’s war alles sauber!«, sagte der Kutscher grinsend. »Was möchten Sie wissen, Herr?«
»Zuallererst Ihren Namen und Ihre Wohnung, für den Fall, dass ich Sie später noch mal brauchen sollte.«
»John Clayton, Turpay Street Nummer 3, im Borough. Meine Droschke gehört zu Shipleys Fuhrgeschäft, dicht an der Waterloo Station.«
Sherlock Holmes schrieb sich die Adresse auf und fuhr fort:
»Nun,
Weitere Kostenlose Bücher