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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Baskerville, und ein paar Minuten später flogen wir schnell die breite weiße Straße entlang. Wiesen mit wogendem Gras zogen sich an beiden Seiten des Weges hin, alte Giebelhäuser schauten hinter dichtem Laubwerk hervor, aber drüben über der friedlichen, sonnenbeglänzten Landschaft erhob sich, schwarz vom Abendhimmel sich abzeichnend, die lange, öde Linie des Moors, nur ab und zu von hässlichen Felsspitzen unterbrochen.
    Der Jagdwagen bog in einen Seitenweg ein, und wir fuhren bergan auf Straßen, die seit Jahrhunderten von Tausenden von Rädern tief ausgefahren waren, zwischen hohen, mit dickem Moos bedeckten Wällen, auf denen üppige Farnkräuter und Brombeersträucher wuchsen. Immer sachte bergauf fahrend, kamen wir über eine schmale Steinbrücke, unter welcher brausend und schäumend ein schnelles Bergwasser zwischen grauen Felsblöcken dahinschoss. Das Tal, durch welches der Weg sich allmählich aufwärts wand, war dicht mit Eichen- und Föhrengestrüpp bestanden. Bei jeder Wegbiegung jubelte Baskerville laut auf, sah sich entzückt um und richtete unzählige Fragen an den Doktor. In seinen Augen war alles schön, für mich aber lag etwas Melancholisches auf der Landschaft, der bereits der Herbst deutlich seinen Stempel aufgedrückt hatte. Gelbe Blätter bedeckten die Wege und rieselten von den Bäumen auf uns herab. Das Rollen unserer Räder erstarb auf dem dichten Teppich toter Blätter – mir war’s, als wäre das ein trauriger Empfang, den Mutter Natur dem heimkehrenden Sohne der Baskervilles bereitete.
    »Hallo!«, rief plötzlich Dr. Mortimer. »Was ist denn das?«
    Eine steile, mit Heidekraut bewachsene Kuppe, ein Ausläufer des Moors, lag gerade vor uns. Auf der Höhe hielt scharf und klar wie ein Reiterstandbild auf seinem Piedestal sich abhebend, ein berittener Soldat, finster und ernst, die Büchse schussfertig im Arm. Er bewachte den Weg, welchen wir entlangfuhren.
    »Was bedeutet das, Perkins?«, fragte Dr. Mortimer.
    Unser Kutscher drehte sich halb auf seinem Bock um und antwortete:
    »Von Princetown ist ein Sträfling entflohen, Herr. Er ist nun seit drei Tagen draußen, und die Zuchthauswächter bewachen jeden Weg und jeden Bahnhof, aber bis jetzt haben sie ihn noch nicht zu Gesicht gekriegt. Den Bauern hier in der Gegend ist es nicht gerade angenehm, Herr, so viel steht fest.«
    »Na, ich denke doch, sie bekommen fünf Pfund, wenn sie den Mann anzeigen können.«
    »Das schon Herr, aber was ist denn die Aussicht, fünf Pfund zu kriegen, gegen die andere Aussicht, dass einem die Kehle durchgeschnitten wird? Sie müssen wissen, der Mann ist kein gewöhnlicher Sträfling. Das ist einer, der vor nichts zurückschrecken würde.«
    »Wer ist es denn?«
    »Selden, der Mörder von Notting Hill.«
    Ich erinnerte mich des Falles sehr gut, denn Holmes hatte sich dafür interessiert, wegen der ganz außergewöhnlichen Grausamkeit, womit das Verbrechen vollbracht worden war, und wegen des blutdürstigen Hohnes, den der Mörder gezeigt hatte. Die Umwandlung des Todesurteils in lebenslängliche Zuchthausstrafe war erfolgt, weil man einige Zweifel an seiner völligen Zurechnungsfähigkeit hegte, so unmenschlich war sein Gebaren.
    Unser Jagdwagen war auf dem Gipfel einer Erhöhung angelangt, und vor uns erhob sich die weite Fläche des Moors mit seinen Steinhaufen und schroffen Felsenklippen. Ein kalter Wind wehte von ihm herunter und durchschauerte uns Mark und Bein. Irgendwo auf dieser trostlos öden Ebene hauste dieser teuflische Gesell, wie ein wildes Tier in einer Höhle sich bergend, das Herz voll bitterer Wut gegen das ganze Menschengeschlecht, das ihn ausgestoßen hatte. Dieser Gedanke fehlte noch gerade, um das schaurige Gefühl zu vervollständigen, das der Anblick des wüsten Moors, der eisige Wind, der dunkelnde Abendhimmel in uns erweckte. Sogar Baskerville wurde still und hüllte sich dichter in seinen Überzieher.
    Das fruchtbare Land lag jetzt hinter und unter uns. Wie wir darauf zurückblickten, verwandelten die schrägen Strahlen der sinkenden Sonne die Bäche in goldene Fäden und beglänzten die frischgepflügten braunroten Äcker und die breiten Waldstreifen. Der Weg vor uns führte durch immer ödere und wildere, rötliche und grünlichbraune Abhänge, die mit riesigen Steinblöcken übersät waren. Ab und zu kamen wir bei einem Moorbauernhaus vorbei: steinerne Mauern und steinerne Dächer, die harten Linien von keinem Rankengrün gemildert. Auf einmal sahen wir unter uns eine

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