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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Schultern. Der alte Klaus leidetunter einer Doppelbelastung. Die zusätzlichen Aufgaben eines Kammerdieners überfordern ihn sichtlich.«
    In diesem Punkt konnte ich ihr bedingungslos zustimmen.
    Das Freifräulein fuhr fort. »Unabhängig von der derzeitigen Notlage stellt meine Herrschaft hohe Ansprüche an das Personal. Ihre Zeugnisse sind zwar in Ordnung. Trotzdem muss ich Ihnen einige Fragen stellen. Ungeschickte Trampel vom Lande, die an extremer Selbstüberschätzung leiden und nicht einmal den Unterschied zwischen einer Bouillon und einer Bouillabaisse kennen, gibt es nämlich jede Menge. Fast jeden Tag kommen mehrere dieser verirrten Wesen hier bei mir vorbeigeschneit.«
    »Nur zu, Eure Hochwohlgeborene Freiin. Ich bin bereit.«
    »Also gut, beginnen wir mit dem Examen. Wie viele Bestecke werden bei einem sechsgängigen Diner in welcher Reihenfolge wo aufgelegt?«
    »Selbstverständlich sechs, bis auf den Suppenlöffel jeweils links und rechts neben dem Platzteller, von außen nach innen, und zwar in der geplanten Abfolge der zu servierenden Gänge.«
    »Falsch, nur vier Bestecke, und der Suppenlöffel gehört neben den Platzteller. Wohin also kommen die Löffel und Gabeln für das Dessert?«
    »Entschuldigen Sie bitte mein Versehen. Die Dessertlöffel undgabeln werden nicht neben, sondern oberhalb des Tellers platziert.«
    »In welche Richtung zeigen die Griffe?«
    »In England weisen sie nach rechts.«
    »In Deutschland ist das anders. Hier zeigen die Stiele der Löffel nach rechts, die der Gabeln hingegen nach links. Nächste Frage: In welcher Reihenfolge stehen die Gläser?«
    »In der Reihenfolge, in der sie benutzt werden sollen.«
    »Bitte etwas konkreter!«
    »Das mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein.«
    »Unsinn! Merken Sie sich bitte: Ganz außen, und zwar rechts oberhalb der Messer, steht immer das Wasserglas. Ihm folgt das Weißweinglas. Danach kommt das Rotweinglas und zum Schluss das Champagner-oder das Likörglas, jeweils passend zum Dessert. Wo aber bleiben die Cognacschwenker?«
    »Da die meisten Frauen leichte Aquavite vorziehen, ist es wohl angebracht, nach den Bedürfnissen zu fragen und die gewünschten Trinkgefäße je nach Belieben zu verteilen.«
    »Erneut falsch. Am Ende der Mahlzeit ziehen sich die Herren in das Rauchzimmer zurück. Dort werden sie mit Zigarren und den hochprozentigen Getränken versorgt. Vorletzte Frage: Wann beginnt ein Diner?«
    »Sobald alle Gäste Platz genommen haben und ihnen der erste Gang serviert wurde.«
    »Wiederum falsch. Das Essen beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Gastgeber seinen ersten Bissen zum Mund führt. Alle anderen Gäste, die bereits über gefüllte Teller verfügen, dürfen es ihm gleichtun. Der Rest muss notgedrungen warten. Letzte Frage: Wann ist eine Mahlzeit beendet?«
    »Sofern keiner der Gäste mehr Hunger verspürt, alle aufgehört haben zu speisen, die Bestecke und Mundtücher abgelegt wurden.«
    »Von Neuem falsch. Das Diner ist für die gesamte Tischgesellschaft beendet, sobald der Hausherr seine Serviette links neben den Teller legt und sich erhebt. Im selben Moment hat der Kammerdiener den Dienstmädchen das Zeichen zum Abräumen zu geben. Beispielsweise wird vom österreichischen Kaiser erzählt, dass er ein schneller Esser sein soll. Bei großen Tischgesellschaften ist er mit seinem jeweiligen Gang bereits zu Ende, bevor dem letzten Gast überhaupt aufgetanwurde. So mancher Besucher musste sich am Ende mit knurrendem Magen erheben.« Der Ton des Freifräuleins änderte sich. Es sprach plötzlich äußerst herablassend zu mir: »Sie sehen aus wie ein Butler, Sie reden wie ein Butler, und Sie benehmen sich wie ein Butler. Aber Sie sind kein Butler, denn Sie haben von Ihrem Beruf nicht die geringste Ahnung. Bei Ihren englischen Lords, die offensichtlich hinter dem Mond leben, sind Sie offenbar damit durchgekommen. In diesem Hause wird Ihnen das nicht gelingen. Es sei denn…«
    »Es sei denn…«, hakte ich nach.
    »Es sein denn, Sie lernen endlich das große Einmaleins der Haushaltsführung.«
    »Gnädige Frau, nein, entschuldigen Sie bitte, Euer Hochwohlgeborenes Freifräulein, das will ich gerne tun. Ich bin an dieser Stelle sehr interessiert und könnte sofort anfangen. Ich wohne unweit von hier in einer Pension am Hauptbahnhof. Ich bin jederzeit abkömmlich.«
    »Ich will Ihnen nichts versprechen. Außer Ihnen gibt es mehrere andere ernsthafte Bewerber, die in die engere Auswahl kommen könnten. Fragen Sie am Ende der

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