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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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In diesem Raum wurden zwar Speisen aller Art zubereitet, aber keinesfalls zu sich genommen. Im Ofen brannte freilich auch kein Feuer, und eine Köchin war weit und breit nicht zu sehen. Die verzinkte Tür des Eisschranks stand offen. Drinnen herrschte gähnende Leere. Hier schien Schmalhans Küchenmeister zu sein.
    »Haben Sie genug gesehen?«, fragte mich die schwarze Frau mit einem spitzen Unterton in der Stimme.
    Ich nickte. Diesmal konnte ich feststellen, wohin sie sich trollte. Hinter einer kleinen Tür lag ein Aufenthaltsraum, der offensichtlich für die Dienerschaft bestimmt war. Er zeichnete sich vor allem durch seine karge Möblierung aus. Die Einrichtung bestand aus einem schlichten Tisch, vier einfachen Holzstühlen und einem braun glasierten Kanonenofen. An der Wand hing eine kunstvoll ausgeführte Stickerei in einem vergoldeten Bilderrahmen:
Sich regen bringt Segen
.
    »Nun wäre es an der Zeit, sich vorzustellen.«
    »Habe die Ehre, John Woodland aus London, wenn es beliebt. Stets zu Ihren Diensten, gnädige Frau.«
    »Die korrekte Anrede lautet: Euer Hochwohlgeborenes Freifräulein. [ 2 ] Ich bin die Freiin Clara von Dombusch und hier in der Villa Morti als Hausdame für sämtliche Personalangelegenheiten zuständig. Sie dürfen sich setzen, Herr Woodland.«
    Ich schaute mich um. Die mit grünem Linoleum belegte Tischplatte war leer. Nirgendwo standen eine Karaffe mit Cognac oder eine Kaffeekanne bereit. Es gab noch nicht einmal einen Aschenbecher.
    »Nun zeigen Sie schon her. Wir haben nicht den ganzen Tag lang Zeit«, fuhr mich die Freiin an.
    Ich zuckte zusammen. Dann begriff ich endlich und kramte meine wunderbaren Zeugnisse hervor, die der Polizeioffiziant Treuwerth Alvensleben für mich mit großem künstlerischen Geschick angefertigt hatte.
    Clara von Dombusch raschelte mit den Papieren. Ihre Mundwinkel bildeten zwei abwärts gewandte Haken. Die Nase schien spitzer und länger zu werden. Mir war inzwischen völlig klar, weshalb das Haus Morti unter einer großen Fluktuation zu leiden hatte.
    Zu den herabhängenden Mundwinkeln gesellte sich eine tiefe Falte auf der Stirn.
    Ich blieb völlig gelassen. Es bestand keine Gefahr. Der Hausdrache konnte ganz nach Belieben die auf den Beurteilungen angegebenen Telefonnummern anrufen. Sämtliche Anschlüsse liefen im Londoner Innenministerium bei der Sekretärin von Mycroft Holmes auf.
    »So, so«, meinte der Drache mit sauertöpfischer Miene. »Sie standen also als Butler zehn Jahre in den Diensten von Lord Bellinger, waren fünf Jahre für Sir George Burnwell tätig und haben zum Schluss sieben Jahre bei Colonel Hayter gearbeitet. Das kann doch wohl nicht alles gewesen sein. Achja, ich sehe schon. Den größten Teil Ihrer Jugendzeit haben Sie bei den Northumberland-Füsilieren zugebracht und wurden in Ehren als Korporal entlassen. Über den Rest mag des Sängers Höflichkeit schweigen. Doch was um alles in der Welt hat Sie nun auf den Kontinent verschlagen, mein lieber Mister Woodland?«
    »Das ist schnell erklärt. Colonel Hayter, mein letzter Arbeitgeber, musste aus Altersgründen sein Londoner Haus aufgeben und ist zu seiner Tochter nach Wales gezogen. Dort sind die Wohnverhältnisse wesentlich beengter, und er hat – und zwar zu seinem größten Bedauern, wie Sie lesen können – keine weitere Verwendung mehr für mich. Wir sind, wenn ich auch dies anmerken darf und wie es sich aus dem Zeugnis ergibt, im besten Einvernehmen voneinander geschieden. Zur selben Zeit, als meine Vakanzen begannen, ist meine ältere Schwester Elizabeth Woodland verunglückt. Sie brach sich ein Bein. Das geschah während einer Europareise. In Berlin wurde sie von einer Pferdedroschke angefahren, die außer Kontrolle geraten war. Meine Schwester ist eine kinderlose Witwe. Jemand musste sich um sie kümmern. Ich hatte Zeit. Inzwischen ist Elizabeth wiederhergestellt. Sie hat vor einigen Wochen die Heimreise angetreten. Ich war noch etwas im Land unterwegs. Dresden gefällt mir. In dieser schönen Stadt würde ich gerne für einige Jahre bleiben, ehe ich mich daheim auf mein Altenteil begebe.«
    »Nun gut. Diese Erklärung genügt mir. Auch ich habe das schwere Los zu tragen, kinderlos geblieben zu sein. Doch das ist eine andere Geschichte. Nun zu diesem Hause. Aus Gründen, die nichts zur Sache tun, herrscht hier momentan eine gewisse Personalnot. Außer dem Gärtner ist keiner der anderen Domestiken mehr übrig geblieben. Die gesamte Last ruht nun ganz allein auf meinen

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