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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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Häuserzeile versperrt. Also wandte ich mich brav nach Osten, bog an der nächsten Ecke nach rechts in die Mosenstraße und anschließend in die Tischerstraße ein. Damit war ich einmal um den halben Block gewandert.
    Ich schaute mich erstaunt um. Das Bild hatte sich völlig gewandelt. Von Villen und herrschaftlichen Häusern war hier nichts mehr zu sehen. An zwei Mietskasernen schlossen sich Bretterzäune und efeuüberwucherte Umfassungen an. Sie versperrten die Sicht auf die Grundstücke dahinter. Obwohl die Straße mit blank geschliffenen Granitsteinen gepflastert war, gab es keinen Verkehr. Ich zählte die Parzellen auf der rechten Straßenseite ab. Vor einer mächtigen Backsteinwand blieb ich stehen. Oben auf der Mauerkrone funkelten Flaschenscherben als Schutz gegen Einbrecher. Die Mauer war glatt verfugt.
    Es gab lediglich zwei Durchbrüche: Ein großes Tor aus grauem Wellblech diente offensichtlich als Einfahrt für Kutschen, Automobile und Lieferfahrzeuge. Bei der kleinen Blechtür daneben schien es sich um den Dienstboteneingang zu handeln. Ich ruckelte an der Klinke. Es war abgeschlossen. Es gab auch keinen Spalt, durch den ich hätte hinter die Mauer schauen können. Auch ein Klingelschild suchte ichvergeblich. Was sollte ich tun? Über die Backsteinwand konnte ich nicht klettern. Dazu war ich zu alt und zu ungelenkig.
    Mein Blick fiel auf eine eigenartige Konstruktion: Aus einem abgewinkelten Metallrohr in Augenhöhe ragte ein stabiler Aluminiumdraht. Er endete in einer Schlaufe. Ich zog an diesem seltsamen Strang. Er bewegte sich vor und zurück. Also musste es ein Gegengewicht geben. Doch diesmal erklang kein silbernes Glöckchen. Ich konnte auch keine Klingel hören. Das Haupthaus war viel zu weit entfernt von mir.
    Ich befürchtete, der Tattergreis von vorhin könnte in der Villa Morti als Pförtner für sämtliche Türen verantwortlich sein. Ich richtete mich auf eine längere Wartezeit ein. Es würde sicherlich eine geraume Weile dauern, ehe sich der unfreundliche Holzkopf über das große Grundstück zu mir geschleppt hatte, um mich zu dem Eingang einzulassen, der meinem momentanen Berufsstand eines Butlers entsprach.
    Die Sonne am Himmel zog ihre Bahn. Vögel zwitscherten. Ein possierliches Eichhörnchen kletterte über mir auf einem Walnussbaum herum. Es hatte keine Furcht vor mir, sondern blinzelte mich aus seinen schwarzen Knopfaugen an und machte seltsame Geräusche, die wie keck-keck-keck klangen.
    Als ich allmählich ungeduldig zu werden begann, schabte, raschelte und knirschte es hinter der Tür. Sie öffnete sich quietschend. Der Alte hatte die Hausschuhe gegen Holzklompen und die grüne Livree gegen einen grauen Kittel vertauscht. Auch diesem Kleidungsstück wäre eine gründliche Reinigung mehr als zuträglich gewesen.
    »Was will er?«, fragte mich der senile Zausel. Er benutzte eine längst aus der Mode gekommene Anredeform für Personen niederen Standes.
    »Ich melde mich auf eine Anzeige als Kammerdiener.«
    »So, so.« Der Methusalem musterte mich argwöhnisch. Am liebsten hätte er mich nun zum Tor für die Fahrzeuge geschickt. Im nächsten Moment begann er zu überlegen (wie ich an seinem lebhaften Mienenspiel ablesen konnte), ob er einen Kammerdiener eher zum Personal oder doch mehr zur Herrschaft zählen sollte. Im letzteren Fall wäre es wohl ein eklatanter Verstoß gegen alle Anstandsregeln gewesen, mich nicht durch den Vordereingang ins Haus zu bitten.
    Vorsichtshalber stellte ich meinen Fuß auf die Schwelle, um den Trottel daran zu hindern, mir auch diese Tür vor der Nase zuzuschlagen. Ich verspürte nicht die geringste Lust dazu, den Block ein zweites Mal zu umrunden.
    Meine aggressive Haltung gab den Ausschlag. Der senile Zerberus fällte eine Entscheidung und reihte mich bei den Domestiken ein: »Folge er mir. Bleibe er dicht hinter mir. Hier kann man sich leicht verlaufen.«
    Durch die Blechtür gelangte ich auf einen gepflasterten Hof, der von mehreren Garagen umgeben war. Eine schmale Gasse zwischen zwei Schuppen führte in einen hübschen, kleinen Garten mit Rosenlaube, Springbrunnen und bequem wirkenden Bänken. Eine Freitreppe führte zu einer zweiten Terrasse hinauf. Sie war um einiges größer als der Vorbau auf der anderen Seite. Ein Glasdach schützte vor Regen. Mehrere Korbsessel luden zum Verweilen ein.
    Wir stiegen allerdings nicht die Treppe empor, sondern verschwanden durch eine Luke im Keller. Nach einer Odyssee, die uns durch schier endlose Gänge

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