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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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führte, kamen wir oben in der Haupthalle an. Ich stand in einem halbrunden Vestibül. Vor mir sah ich die Innenseite des Portals mit seinen blitzenden Schlössern und Riegeln, an dem ich vor einer guten halben Stunde von außen geläutet hatte.
    Ich fasste den spontanen Beschluss, meinen Begleiter zu schlagen. Er hatte diese Gemütsanwandlung offensichtlich vorhergesehen und sich wortlos verdrückt. Das war kein großer Verlust für mich. Unterwegs hatte sich der alte Sack als äußerst maulfaul gezeigt und mir auf keine einzige meiner Fragen eine vernünftige Antwort gegeben.
    Durch eine zweiflügelige Schwingtür gelangte ich vom Vestibül aus in einen riesigen Vorraum. Der Fußboden bestand aus schwarz-weißen Marmorfliesen, die in der Art eines Schachbrettmusters verlegt worden waren. Links und rechts wurde die Halle von Rundbögen begrenzt, in denen überdimensionale Ahnenporträts hingen. Ihre Reihe reichte bis in das Mittelalter zurück. Von den Gesichtern kam mir kein einziges bekannt vor. Ich konnte auch keine Familienähnlichkeiten feststellen. Offensichtlich waren die Bilder in diversen Auktionshäusern zusammengekauft worden.
    Gegenüber vom Eingang führte eine Freitreppe nach oben zu einer umlaufenden Galerie, in der Regale mit teuer wirkenden Büchern in Ledereinbänden standen.
    In London gab es spezielle Konsultanten, die Bibliotheken für ungebildete Neureiche zusammenstellten. Wenn Holmes hier bei mir gewesen wäre, hätte er mit einem Blick herausgefunden, ob die Bücher nur zur Zierde dienten oder ob sie tatsächlich auch gelesen wurden.
    Links und rechts von der Galerie gingen mehrere Türen ab. Was sich dahinter befinden mochte, konnte ich nicht erraten.
    Vor einem Kamin an der Ostseite, in dem zur Zeit freilich kein Feuer brannte, standen zwei gesteppte, rotbraune Ledersessel. Bei einem geschnitzten Nussbaumschränkchen daneben schien es sich um die Hausbar zu handeln.
    Plötzlich stand neben mir wie aus dem Boden gestampft eine finstere Gestalt. Es handelte sich um eine spindeldürreFrau. Sie war etwa in meinem Alter und steckte in einem altertümlichen, bodenlangen, schwarzen Kleid mit fest geschlossenem, weiß abgesetztem Stehkragen. Um ihren Hals hing ein handtellergroßes Kreuz aus Ebenholz. Ihre Wangen waren weiß gepudert. Das nur leicht melierte, schwarze Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt und zu einem festen Knoten zusammengesteckt. Das Käuzchen wurde zum größten Teil von einem kleinen, schwarzen Schleier aus Spitzentuch bedeckt. Die Lippen der schwarzen Frau waren zwei schmale Striche.
    Sie sprach mich mit harter, metallisch klingender Stimme an: »Klaus richtete mir aus, Sie würden sich auf eine Stelle hin bewerben. Wenn dem so ist, dann folgen Sie mir!«
    Und schon rauschte sie von dannen, ohne eine Antwort abgewartet oder sich mir vorgestellt zu haben. Sie verschwand linker Hand durch eine Tür.
    Ich eilte ihr nach und fand mich in der Küche wieder. Das schwarze Gespenst war längst durch einen anderen Ausgang wieder hinausgehuscht. Ich wusste nicht, durch welchen. Also wartete ich.
    Nicht nur der Baumeister, auch der Innenarchitekt hatte etwas von seiner Arbeit verstanden. Eine gut angelegte Küche musste so wie diese hier hell, geräumig und im Sommer kühl, also nach Norden gelegen sein. Durch die Fenster konnte ich hinaus auf die Borsbergstraße sehen, wo Holmes – wie ich mir sicher war – immer noch von seinem Ausguck aus über mich wachte. Ich trat nah an die Scheiben heran, um mich für einen Moment zu zeigen.
    Anschließend drehte ich mich um und ließ die Blicke schweifen, so wie es mir Holmes aufgetragen hatte. Die Wände waren mit hellblauer Ölfarbe gestrichen worden, um die Fliegen abzuschrecken. In offenen Regalen ringsum standenFayencen in unterschiedlichen Größen. Diverses Kupfergeschirr klapperte durch die leichten Erschütterungen, die meine Schritte hervorriefen. An großen und kleinen Hakenleisten hingen die unterschiedlichsten Küchenwerkzeuge. Vor der gewaltigen Kochmaschine lag eine schwarze Blechplatte. Sie sollte offenbar davor schützen, dass Glut auf den Holzfußboden fallen konnte. Es gab einen Spülstein mit Frischwasserzufuhr nebst einem Abfluss nach draußen, einen schweren Hackklotz ganz ähnlich dem in einer Schlachterei und einen riesigen Tisch mit einer blank gescheuerten Platte. Alles war aufgeräumt, abgewaschen und penibel sauber.
    Mehrere Sachen fehlten vollständig. Zuvörderst Stühle. Der Grund dafür lag auf der Hand:

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