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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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wie ein Streichholz zersplittern, glaube mir. Es gibt keine Hunde, und ich kann auch keine weiteren Posten entdecken.«
    »Ein Sanatorium mit Stacheldrahtverhau würde nicht nur albern aussehen, sondern auch mögliche Kunden abschrecken«, gab ich zu bedenken. »Die Wachmannschaft wird ganz gewiss bei Einbruch der Dunkelheit verstärkt werden. Was wir sehen, sind also nur Potjomkinsche Dörfer. Die sensiblen Bereiche werden ganz gewiss weiter hinten liegen.«
    »Da magst du wohl recht haben. Doch kein Problem, wir werden es herausfinden. Und zwar machen wir es folgendermaßen«, meinte mein Freund und entwickelte sogleich seinen Plan. »Du meldest dich in dem Pavillon links von der Einfahrt an. Dort hängt nämlich ein Schild, auf dem das Wort
Patienten
geschrieben steht. Ich schlussfolgere, dass von dort aus die Neuankömmlinge auf die unterschiedlichen Stationen verteilt werden. Nun zu meinem Part: Ich benutze den anderen Eingang mit der Aufschrift
Besucher
. Alles klar?«
    »Nichts ist klar. Ich fühle mich zurzeit überhaupt nicht krank. Ich würde gern alles vermeiden, was diesen Zustand ändern oder gefährden könnte. Deshalb werde ich nicht von deiner Seite weichen. Gleiche Brüder, gleiche Kappen! Mitgefangen, mitgehangen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
    »Das ist zwar gut gedacht, aber leider völlig ausgeschlossen. Du kannst mich nicht begleiten. Einer von uns beiden muss einen Einblick in die internen Abläufe bekommen. Das geht nur auf zwei Wegen: entweder als Arzt oder vom Krankenbett aus. Eine Bewerbung als Butler ist eine Sache, eine Bewerbung als Mediziner eine ganz andere. So etwas lässt sich nicht übers Knie brechen. Da musst du jede Menge an Papieren vorlegen. Eine Promotionsurkunde lässt sich viel schwerer fälschen als ein simples Empfehlungsschreiben. Ein Patient hingegen wird sofort aufgenommen. Er benötigt keine gültigen Papiere, sondern lediglich eine gut gefüllte Brieftasche. Das Risiko, erkannt zu werden, ist gering. Selbst ein Absolvent der Medizinischen Fakultät der Universität London des Jahrgangs 1872 bis 1878, der sich hier als Arzt im Sanatorium betätigen sollte, wird in einem Patienten namens John Woodland kaum seinen ehemaligen Kommilitonen John Watson erkennen können. Lange Rede, kurzer Sinn: Von uns beiden bist du aufgrund deiner medizinischen Ausbildung für diese Aufgabe prädestiniert. Dir kann niemand ein X für ein U vormachen. Du kannst auf Anhieb erkennen, welche medizinische Verordnung Mumpitz ist und welche Heilbehandlung auf einer wissenschaftlichen Grundlage basiert. Ich werde mich unterdessen unter die Leute mischen und auf die Stimme des Volkes hören.«
    »Und wenn du einen schrillen Laut vernimmst, dann wird es der Jubelschrei von Colonel Moran sein, nachdem er mir einen Dolch zwischen die Rippen gejagt hat. Mein Todesröcheln folgt danach«, bemerkte ich sarkastisch.
    »Du kannst mir vertrauen, dir wird nichts passieren«, versuchte Holmes mich zu beruhigen. Allerdings fehlte es ihm an den passenden Argumenten. Auch seine folgenden Worte waren nur ein schwacher Trost: »Und denke immer bitte daran: Auch wenn du mich weder sehen noch hören kannst, werde ich trotzdem immer ganz dicht in deiner Nähe sein.« Er hielt inne und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich will dich nicht zwingen. Wir könnten es auch umgedreht machen. Meine medizinischen Kenntnisse reichen zwar bei Weitem nicht an die deinigen heran, aber sie sind immer noch überdurchschnittlich. Auch ich lasse mich nicht so leicht hinters Licht führen. In diesem Fall müsstest du…«
    »Lass es gut sein. Wir machen es so, wie du vorgeschlagen hast«, unterbrach ich ihn. Ich fühlte mich wie ein todgeweihter Gladiator, der in die Arena zu den Löwen steigt. Ich konnte nur hoffen, dass Cäsar in meinem Fall den Daumen hob und nicht senkte.
    *
    Ich hatte ein Einzelzimmer bekommen. Es war penibel sauber und relativ spartanisch mit weißen Krankenhausmöbeln, einem Sessel am Fenster, einem Stuhl am Bett und einem Waschbecken eingerichtet. Der Schrank mit seinen glänzenden Schleiflacktüren stand leer. Außer meiner Brille hatte ich keine persönliche Habe mehr bei mir behalten dürfen. Aus hygienischen Gründen, die mir nicht so richtig einleuchten wollten, musste ich mich meiner Leibwäsche, der Oberbekleidung und der Schuhe entledigen. Die Sachen wurden in einer speziellen Kleiderkammer aufbewahrt. Ich steckte nun in einem knöchellangen, hellblauen Nachthemd. Der dazu passende Morgenrock

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