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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Meine Frau hatte sich schon zur Ruhe begeben, und auch die Dienstmädchen waren hinauf in ihre Kammer gegangen; ich hatte gehört, wie sie die Haustür schlossen. Eben stand ich vom Lehnstuhl auf und begann die Asche aus meiner Pfeife zu klopfen, als plötzlich die Glocke ertönte.
    Ich sah nach der Uhr; es war dreiviertel auf zwölf. So spät konnte kein Besuch mehr kommen, also wollte man mich zu einem Kranken holen, und von Nachtruhe war keine Rede mehr. Mit verdrießlicher Miene stieg ich die Treppe hinunter und schloß auf. Zu meiner Verwunderung fand ich Sherlock Holmes draußen vor der Türe stehen.
    »Ah, du bist’s, Watson«, sagte er. »Ich komme spät, aber ich hoffte, dich noch munter zu finden.«
    »Bitte, tritt näher, lieber Freund.«
    »Du warst überrascht, mich zu sehen – kein Wunder – angenehm überrascht, vermutlich. Hm, du rauchst also noch immer dieselbe Sorte wie früher als Junggeselle. Die flockige Asche auf deinem Ärmel läßt sich nicht verkennen. Daß du gewohnt gewesen bist, eine Uniform zu tragen, sieht man dir auf den ersten Blick an, Watson; du wirst auch nie für einen Zivilisten von reinem Wasser gelten, bis du dir nicht abgewöhnst, das Taschentuch im Rockärmel zu tragen. – Kannst du mich heute nacht beherbergen?«
    »Mit Vergnügen.«
    »Du hast mir einmal gesagt, daß bei euch immer ein Bett für einen Gast bereit steht, und ich sehe, daß ihr jetzt keinen Logierbesuch habt. Es hängt nur ein Hut am Ständer.«
    »Ich freue mich sehr, wenn du bleiben willst.«
    »Besten Dank; ich darf wohl diesen leeren Riegel für meine Kopfbedeckung benützen. – Bedauere, daß du einen Arbeiter im Haus gehabt hast; das bedeutet nichts Gutes. Hoffentlich war das Abflußrohr nicht schadhaft.«
    »Nein, die Gasleitung.«
    »Ach so! Der Mann hat den Abdruck von zwei Nägeln in seiner Stiefelsohle auf dem Linoleum zurückgelassen, das Licht fiel gerade darauf. – Nein danke – gegessen habe ich schon auf dem Bahnhof, aber eine Pfeife würde ich noch gern mit dir rauchen.«
    Ich reichte ihm meinen Tabaksbeutel; er setzte sich mir gegenüber und paffte eine Weile schweigend fort. Da ich wohl wußte, daß ihn nur ein wichtiges Geschäft um diese Stunde noch zu mir führen konnte, wartete ich es geduldig ab, bis er die Rede darauf brachte.
    »Du hast jetzt gerade viel Arbeit in deinem ärztlichen Beruf, wie ich sehe«, sagte er, mich mit scharfem Blicke musternd.
    »Ja, ich bin heute sehr beschäftigt gewesen«, erwiderte ich; »aber woher du das wissen kannst, ist mir unbegreiflich.«
    Holmes lächelte wohlgefällig. »Ich kenne ja deine Gewohnheiten, mein lieber Watson. Wenn du nur eine kurze Runde zu machen hast, gehst du zu Fuße, bei einer langen fährst du. Da ich nun sehe, daß deine Stiefel zwar gebraucht, aber nicht schmutzig sind, hast du jetzt jedenfalls so viel zu tun, daß du dir eine Droschke gestattest.«
    »Vortrefflich«, rief ich.
    »Ureinfach«, sagte er. »Dies ist nur ein Beispiel davon, wie leicht man durch Schlußfolgerung zu Ergebnissen gelangen kann, die den Hörer überraschen, wenn man diesen oder jenen kleinen Umstand, der vielleicht die Grundlage des Ganzen bildet, für sich behält. Auf ähnliche Weise verfährst du auch, mein lieber Junge, bei der Aufzeichnung deiner kleinen Skizzen und erhältst dadurch den Leser in Spannung. Ich befinde mich augenblicklich in genau derselben Lage wie deine Leser, denn ich halte verschiedene Fäden der seltsamsten Begebenheit in Händen, über die sich je ein Mensch den Kopf zerbrochen hat, und doch fehlen mir ein paar Verbindungsglieder zur klaren Begründung des Ganzen. Aber ich muß sie haben, Watson, ich werde sie schon noch bekommen!« Seine Augen funkelten, und ein leises Rot färbte ihm die hageren Wangen. Auf einen kurzen Moment hob sich der Schleier, der sein Inneres sonst verhüllte, und ließ sein leidenschaftlich erregbares Gefühl durchblicken. Als ich ihn aber wieder ansah, waren seine Züge bereits so starr und regungslos, wie die einer indianischen Rothaut, ein Gesichtsausdruck, dem man es zuzuschreiben hatte, daß viele in ihm mehr eine Maschine als einen Menschen sahen.
    »Das Problem kommt mir nicht uninteressant vor«, sagte er, »manche Einzelheiten sind sogar recht außergewöhnlich. Ich habe mir schon Einsicht in die Sache verschafft und glaube der Lösung ganz nahe gerückt zu sein. Wenn du mir bei dem letzten Schritt behilflich sein wolltest, würdest du mir einen großen Dienst leisten.«
    »Von

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