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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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endlich, »das kann doch Ihr Ernst nicht sein –«
    »Mein völliger Ernst. Schauen Sie ihnen doch nur ins Gesicht.«
    Noch nie habe ich einen Menschen gesehen, dem die Schuld so deutlich auf der Stirn geschrieben stand wie diesen beiden. Der Alte war wie betäubt und gelähmt, seine scharfgezeichneten Züge trugen einen starren, finsteren Ausdruck. Der Sohn dagegen hatte das flotte, stutzerhafte Wesen, das er zur Schau getragen, ganz fallen lassen; sein hübsches Gesicht war verzerrt, und in seinen Augen funkelte die Wut eines gefährlichen Raubtiers.
    Der Inspektor schritt, ohne ein Wort zu sagen, nach der Tür und ließ einen gellenden Pfiff hören. Auf diesen Ruf erschienen zwei Polizisten.
    »Mir bleibt keine Wahl, Herr Cunningham«, sagte er. »Ich hoffe, es wird sich als ein lächerlicher Irrtum herausstellen, aber Sie müssen einsehen – Oho, was soll das heißen!« – Er schlug Herrn Alec seinen Revolver aus der Hand, als der junge Mann gerade den Hahn spannen wollte –; die Waffe fiel klirrend zu Boden.
    Holmes setzte rasch den Fuß darauf. »Nehmen Sie das Ding an sich, es wird Ihnen beim Verhör gute Dienste tun. Aber hier ist das, wonach ich eigentlich gesucht habe.« Er hielt ein zerknittertes Stück Papier in die Höhe. »Der abgerissene Zettel!«, rief der Inspektor.
    »Nichts anderes.«
    »Und wo war er?«
    »Wo ich ihn gleich vermutete. Ich will Ihnen später alles erklären. Es wird am besten sein, Herr Oberst, wenn Sie jetzt mit Watson nach Hause gehen; in höchstens einer Stunde komme ich nach. Wir müssen noch ein Wort mit den Gefangenen reden, der Inspektor und ich, aber zum zweiten Frühstück bin ich bestimmt wieder da.«
    Sherlock Holmes hielt Wort; gegen zwei Uhr fand er sich bei uns im Rauchzimmer ein, begleitet von einem kleinen, ältlichen Mann, der mir als Herr Acton vorgestellt wurde, in dessen Hause zuerst eingebrochen worden war.
    »Ich wünschte sehr, daß Herr Acton meine Darlegung des Falles mit anhören möchte«, sagte Holmes, »da für ihn natürlich alle Einzelheiten von hohem Interesse sind. – Sie werden es, fürchte ich, noch bereuen, Herr Oberst, daß Sie einen so unruhigen Gesellen wie mich in Ihr Haus aufgenommen haben.«
    »Im Gegenteil«, erwiderte der Oberst eifrig, »ich schätze es als einen besonderen Vorzug, daß mir gestattet wird, die Methode kennen zu lernen, die Sie bei Ihren Schlüssen nutzen. Der Erfolg übersteigt alle meine Erwartungen, das gestehe ich offen, auch bin ich gänzlich außer stande, den Hergang zu begreifen. Ich habe noch nicht die leiseste Ahnung davon.«
    »Die Erklärung wird Ihnen wahrscheinlich eine Enttäuschung bereiten; doch pflege ich mein Verfahren weder vor meinem Freunde Watson noch vor sonst jemand zu verbergen, der Verständnis dafür zeigt. Aber erst darf ich mir wohl einen Schluck von Ihrem Brandy einschenken, Herr Oberst, der Kampf in dem Zimmer dort drüben hat mich durch und durch geschüttelt. Ich habe mir in letzter Zeit wohl etwas zu viel zugemutet und bin noch nicht ganz bei Kräften.«
    »Sie haben doch nicht wieder Nervenanfälle gehabt?«
    Sherlock Holmes lachte herzlich. »Davon reden wir später«, sagte er, »ich will Ihnen alles der Reihe nach berichten und Ihnen die Hauptgesichtspunkte vorführen, von denen ich mich leiten ließ. Falls Sie etwas nicht vollkommen verstehen sollten, bitte ich nur, mich zu unterbrechen.
    Es ist von der höchsten Wichtigkeit für die Ermittlung eines Verbrechens, daß man imstande ist, zu unterscheiden, welches die wesentlichen Tatsachen und welches nur Nebenumstände sind. Sonst läuft man Gefahr, seine Kraft und Wachsamkeit zu zersplittern, statt sie möglichst zu sammeln. Im vorliegenden Falle hatte ich nicht den leisesten Zweifel, daß der Schlüssel des Ganzen in dem Blatt Papier zu finden sei, das dem Toten aus der Hand genommen worden war.
    Nach Alec Cunninghams Aussage hatte der Räuber Wilhelm Kirwan erschossen und dann augenblicklich die Flucht ergriffen. War dies richtig, so konnte nicht er es gewesen sein, der den Zettel aus des Toten Hand gerissen hatte. Dies mußte vielmehr der junge Cunningham selbst getan haben, denn als sein Vater herunterkam, waren bereits mehrere Diener auf den Schuß herbeigeeilt. Wie einleuchtend das auch ist, so hatte der Inspektor diesen Punkt doch übersehen, weil er von vornherein annahm, daß die beiden Gutsbesitzer bei der Sache nicht beteiligt wären. Mein Hauptgrundsatz ist aber, ohne jegliches Vorurteil zu Werke zu gehen und

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