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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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ausbreitete.
    Die Unsichtbarkeit und die Geheimnistuerei, die sie umgab, machte die Organisation doppelt schrecklich. Sie schien allwissend und allgewaltig zu sein. Und doch wurde sie weder
    gesehen noch gehört. Ein Mensch, der sich eine eigene Meinung erlaubte, verschwand ganz einfach. Niemand konnte sagen, wohin er gekommen und was aus ihm geworden war. Seine
    Frau und seine Kinder mochten zu Hause auf ihn warten, aber kein Vater kam heim, um ihnen zu erzählen, wie seine geheimen Richter ihn behandelt hatten. Einem schnellen Wort oder einer unüberlegten Tat folgte vollständiges Auslöschen. Und doch wußte niemand, woher
    diese furchtbare Macht kam, die wie eine schwarze Wolke über der ganzen Stadt hing. Kein Wunder, daß die Menschen zitterten und voller Furcht einhergingen. Nicht einmal mitten im Herzen der Wildnis hätten sie gewagt, dem Zweifel, der sie bedrückt hatte, in geflüsterten Worten Ausdruck zu geben.
    Zunächst wurde diese unfaßbare, schreckliche Macht an denen verübt, die den Glauben der Mormonen zwar angenommen hatten, aber dann gerne wieder davon losgekommen wären.
    Bald jedoch weitete sich der Terror immer weiter aus. Schließlich gab es nicht mehr genug Frauen im heiratsfähigen Alter. Polygamie ohne genügend Frauen aber ist eine unfruchtbare Doktrin. Merkwürdige Gerüchte gingen von Mund zu Mund, Gerüchte von ermordeten
    Einwanderern und niedergemachten Siedlungen in Gegenden, wo Indianer nie gesehen
    worden waren. Neue Frauen tauchten in den Harems der Ältesten auf. Es waren Frauen, die viel weinten und dahinsiechten und auf ihren Gesichtern die unauslöschlichen Zeichen
    erlebten Schreckens trugen. Wanderer, die noch zu später Stunde in den Bergen gewesen
    waren, berichteten von Banden bewaffneter und maskierter Männer, die geheimnisvoll und leise an ihnen vorbeigehuscht waren. Die Geschichten und Gerüchte verdichteten sich und nahmen Gestalt an, wurden gewisser und gewisser, bis man sie endlich mit Namen belegen konnte. Bis zum heutigen Tage sind Namen wie Danite Bande und Racheengel in den
    einsamen Farmen im Westen gefürchtet und schicksalsschwer. Aber das
    Wissen um diese Organisationen, die so schreckliche Taten vollbrachten, verminderte nicht den Schrecken vor ihnen, eher verstärkte es die Angst der Leute noch. Niemand wußte, wer zu diesen grauenhaften Banden gehörte. Die Namen derer, die an den Gewalt- und Bluttaten im Namen der Religion teilnahmen, wurden streng geheimgehalten. Der gleiche Freund, dem man seinen Ärger über den Propheten mitteilte, konnte derjenige sein, der auf Befehl
    desselben an einem Überfall mit Feuer und Schwert teilnahm und ihn schrecklich büßen ließ.
    Daher fürchtete jeder seinen Nachbarn. Niemand sprach über die Dinge, die ihm am meisten am Herzen lagen.
    Eines schönen Morgens, als John Ferrier gerade dabei war, in die Weizenfelder zu reiten, hörte er das Aufklinken des Hoftors. Er blickte aus dem Fenster. Ein Mann mittleren Alters und mit sandfarbenem Haar kam den Weg herauf. Ferriers Herz klopfte bis zum Halse, denn niemand anders als der große Brigham Young selber kam den Weg herauf. Voller Sorge, denn er wußte sehr wohl, daß ihm ein solcher Besuch nichts Gutes bringen konnte, lief er zur Haustür, um den großen Chef der Mormonen zu begrüßen. Letzterer empfing diese
    Begrüßung jedoch kühl und folgte ihm mit strengem Gesicht ins Wohnzimmer.
    Er nahm Platz, beäugte den Bauern unter seinen hellfarbenen Wimpern aufmerksam und sagte dann schließlich: »Bruder Ferrier, die Gläubigen des wahren Glaubens sind Dir gute Freunde gewesen. Wir haben uns Deiner angenommen, als Du in der Wüste fast verhungert wärst. Wir haben unsere Nahrung mit Dir geteilt und haben Dich sicher ins gelobte Land geleitet. Wir haben Dir einen guten Anteil von unserem Land gegeben und haben zugesehen, wie Du unter unserem Schutz reich geworden bist. Ist das nicht so?«
    »Ja, das ist so«, sagte John Ferrier.
    »Und all das haben wir unter einer einzigen Bedingung getan. Wir baten Dich, unseren
    einzigen, wahren Glauben anzunehmen und Dich unserer Lebensart anzupassen. Das zu tun
    hast Du auch versprochen. Aber wenn ich recht unterrichtet bin, hast Du das vernachlässigt.«
    »Aber inwiefern sollte ich das vernachlässigt haben?« rief John Ferrier und hob im Protest die Hände hoch. »Habe ich nicht meine Beiträge immer pünktlich gezahlt? Bin ich nicht
    regelmäßig im Tempel gewesen? Habe ich nicht...?«
    »Wo sind Deine Frauen?« fragte Young

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