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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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kommen. Aber bis das soweit ist, möchte ich Sie hier nicht mehr sehen.«
    Beide jungen Männer starrten ihn erstaunt an. In ihren Augen war dieses Werben um die
    Hand des jungen Mädchens die größte Ehre, die sie ihrem Vater antun konnten.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten, das Zimmer zu verlassen«, rief John Ferrier. »Hier ist die Tür und hier ist das Fenster.«
    Sein braunes Gesicht sah wild aus und seine magere Hand wirkte so drohend, daß seine Gäste aufsprangen und eiligst das Weite suchten. Der alte Farmer folgte ihnen bis zur Tür.
    »Laßt mich hören, wenn ihr euch entschieden habt, welcher von euch sie haben soll«, rief er zynisch.
    »Das wirst du büßen!«, rief Stangerson, weiß vor Wut im Gesicht. »Du hast den Willen des Propheten und den Rat der Vier verachtet. Das wirst du bis ans Ende deines Lebens bereuen.«
    Ferrier drehte sich um und wollte sein Gewehr holen. Aber Lucy hatte seinen Arm gepackt und hielt ihn zurück. Bevor er sich von ihrem Griff freimachen konnte, hörte er die
    klappernden Hufe der Pferde. Sie waren außer Reichweite.
    »Diese jungen, verdorbenen Kerle!« rief er aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Lieber würde ich dich, mein Kind, ins Grab legen, als dich einem von ihnen zur Frau zu geben.«
    »Genauso denke ich auch, Vater«, antwortete sie hitzig, »aber Jefferson wird ja bald hier sein.«
    »Ja, es dauert nicht mehr lange, dann ist er da. Je eher er kommt, desto besser, denn nun wissen wir wirklich nicht, was sie als nächstes vorhaben.«
    Es wurde tatsächlich höchste Zeit, daß dem tapferen alten Farmer und seiner Adoptivtochter tüchtige und tatkräftige Hilfe zuteil wurde. In der ganzen Geschichte der Siedlung hatte es keinen solchen Fall von Gehorsamsverweigerung dem Willen der Ältesten gegenüber
    gegeben. Wenn schon geringere Verfehlungen so schwer bestraft wurden, wie würde dann
    das Schicksal dieses Erzrebellen aussehen? Ferrier wußte wohl, daß weder sein Reichtum noch sein Stand ihm von Nutzen sein konnte. Andere, die einen genauso guten Namen gehabt und genauso reich gewesen waren, waren wie von Geisterhand verschwunden und ihr
    Vermögen dem Tempel vermacht worden. Zwar war er ein tapferer Mann, aber er zitterte,
    wenn er an den vagen, nicht faßbaren, schattengleichen Terror dachte, der über ihm hing.
    Jeder bekannten Gefahr hätte er mit zusammengebissenen Zähnen ins Gesicht gesehen. Aber diese Ungewißheit war entnervend. Er verbarg seine Sorgen jedoch vor seiner Tochter und versuchte, die Sache leicht zu nehmen. Aber mit den Augen der Liebe sah sie sehr wohl, wie sehr er sich sorgte.
    Er hatte erwartet, für sein Verhalten einen Verweis von Young zu bekommen. Und er täuschte sich nicht. Aber der Denkzettel erreichte ihn auf eine Weise, mit der er nicht gerechnet hatte.
    Als er nämlich am Morgen aufstand, fand er zu seiner Überraschung ein kleines, viereckiges Stück Papier auf seiner Bettdecke, oberhalb seiner Brust befestigt. Darauf war in großen, unregelmäßig gedruckten Buchstaben zu lesen: »Neunundzwanzig Tage sind dir für deine
    Bekehrung gegeben, dann...«
    Dieser Wisch wirkte furchterregender als jede andere Drohung. Lange Zeit grübelte Ferrier darüber nach, wie diese Drohung in sein Schlafzimmer gekommen sein konnte. Seine
    Knechte schliefen im Nebenhaus und die Fenster waren fest verschlossen. Er zerknüllte das Papier und erzählte seiner Tochter nichts davon. Trotzdem ließ dieser Zwischenfall ihm das Blut in den Adern gefrieren. Diese neunundzwanzig Tage waren noch übrig von dem Monat, den Young ihm versprochen hatte. Welchen Mut und welche Kraft sollte man einem Feind
    gegenüber einsetzen, der über geheimnisvolle Kräfte zu verfügen schien? Die Hand, die die Nadel an der Bettdecke festgesteckt hatte, hätte sein Herz durchbohren können. Er hätte nicht einmal gewußt, wer ihn umgebracht hatte.
    Noch mehr erschrak er am nächsten Morgen. Sie hatten sich niedergesetzt, um zu
    frühstücken, als Lucy mit einem Schrei der Überraschung nach oben zeigte. In der Mitte der Zimmerdecke war, scheinbar mit einem angebrannten Stück Holz, die Nummer 28
    geschrieben. Seine Tochter konnte nicht wissen, was es bedeuten sollte, aber ihm war es natürlich sofort klar. In der nächsten Nacht blieb er auf, das Gewehr in der Hand. Er wachte und wartete, sah und hörte aber nichts. Und doch war am nächsten Morgen eine große 27 an die Haustür gemalt.
    Dies geschah Tag für Tag. So sicher, wie der Morgen hereinbrach, so

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