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Sherlock Holmes und das Druidengrab

Sherlock Holmes und das Druidengrab

Titel: Sherlock Holmes und das Druidengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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Beispiel, indem er mit dem Holz des Geigenbogens auf Korpus oder Saiten schlagen ließ. Col legno tratto beziehungsweise col legno battuto . Er war seiner Zeit weit voraus, nur wusste das niemand wirklich zu würdigen. Dazu sein verzweifeltes Verhältnis zu Alma!“ 
    Nachdem er im Jahr darauf, 1912, in Prag den Fall des wahnsinnigen Ingenieurs Rossum gelöst hatte, beschloss Holmes noch einige Tage in der Moldau-Metropole zu bleiben, um die Musik Mahlers, Smetanas und Fučiks zu genießen. Da mich Konzerte immer schläfrig stimmen, überließ ich ihn seiner Leidenschaft und traf mich stattdessen mit unserem Freund Dr. Kafka, der mich als mein persönlicher Vergil durch die Stadt führte, etwa zu dem Grab von Judah Löw, einem Wunderrabbi aus dem sechzehnten Jahrhundert.
    „Sie kennen doch Goethes Ballade Der Zauberlehrling , Dr. Watson.“
    „Na, sicher! Ich entsinne mich sogar noch der Anfangszeilen einer englischen Übersetzung: Huzzah, huzzah! His back is fairly turned about, the wizard old; And I'll now his spirits rarely To my will and pleasure mould! ... Und so weiter!”
    Kafka nickte zustimmend. „Ja, genau! Sie wissen sicher, dass jüdische Städel nicht nur in Österreich-Ungarn immer wieder von Pogromen heimgesucht werden. Hilf uns aus dem Bann der Not , schrieb Rilke, heut gibt uns Jehova Kinder, morgen raubt sie uns der Tod . Zum Schutz seiner Gemeinde soll Rabbi Löw daher eine Art Krieger aus Lehm geschaffen haben, den Golem. Der patrouillierte nachts durchs Judenviertel und diente tagsüber als Schammes, als Synagogendiener. Der Golem konnte hören und gehorchen, aber nicht sprechen.“
    „Wie will denn dieser Löw eine Tonfigur belebt haben?“
    „Rabbi Löw ritzte ihm unter Beachtung bestimmter magischer Rituale das Wort EMETh in die Stirn, Wahrheit . Wenn er den ersten Buchstaben wegwischte, blieb METh, Tod . Danach war der Golem wieder ein lebloser Lehmklumpen. Einmal, sagt die Legende, habe der Rabbi dem Golem aufgetragen, der Rebbezzin, also seiner Frau, Wasser zu holen, und das Haus verlassen. Der Golem habe so lange Wasser gebracht, bis das Haus überschwemmt gewesen sei. Der Rabbi kam gerade noch rechtzeitig, um den lebensspendenden Buchstaben von der Stirn des Golems zu wischen.“
    „Und das soll Goethe zu seiner Ballade inspiriert haben?“
    „Genau!“
    Hätte ich meinem Freund Holmes bloß nicht von diesem interessanten Ausflug in die Literaturgeschichte berichtet! Er revanchierte sich nämlich mit einer zweistündigen musikgeschichtlichen Vorlesung über einen deutschen Komponisten, der ebenfalls  Löw oder Loewe hieß und Goethes Zauberlehrling vertont hatte. Vom Zauberlehrling kam Holmes auf die Ballade Erlkönig und von dieser zu der schottischen Ballade von Tom dem Reimer , die jeder schottische Schulbub kennt. Auch diese hatte Loewe in Töne gesetzt. Holmes redete, bis ich nur noch mit offenen Augen vor mich hin nickte, um den zwingenden, aber irrigen Eindruck zu erwecken, ich höre zu. Schließlich gelang es mir aber doch, ihn abzulenken. Dr. Kafka hatte mir von wilden Gerüchten erzählt, die in der klatschfreudigen Bevölkerung Prags umgingen. Angeblich seien mehrere Theologieprofessoren unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen. Jesuiten, genauer gesagt, aber die Macht dieses Ordens würde die Untersuchung dieser Todesfälle verhindern. 
    „Ob das nicht ein Fall für Mr Holmes wäre?“, hatte mich Kafka gefragt.
    „Ich werde ihn ihm unterbreiten“, versprach ich – und hielt mein Wort. 

    Wir hatten in Prag bei der Witwe Catherine Vrchlicková Logis genommen. Sie war Engländerin von Geburt und mit einem böhmischen Ingenieur mit dem unaussprechlichen Namen Karel Vrchlický verheiratet gewesen. Der war jedoch bereits ein knappes Jahrfünft nach der Hochzeit gestorben – vermutlich an der Halskrankheit, die man sich beim Aussprechen seines Namens zuzieht. Um sich und die beiden Söhne durchzubringen, hatte die junge Witwe in ihrem Haus eine Fremdenpension eingerichtet. Wir fühlten uns wohl bei ihr, denn sie ersetzte uns unsere gute Mrs Hudson in vorbildlicher Weise. Eines Nachmittags klopfte sie an unsere Tür.
    „Zwei Herren wünschen Sie zu sprechen.“ 
    „Wir lassen bitten!“
    Catherine führte die Besucher herein und räumte – sehr zu meinem Bedauern – noch rasch das erst halb verzehrte Abendessen ab. Wir erhoben uns zur Begrüßung. Der eine Mann war ein winziger Greis mit Jarmulke und einer Brille vor den listig dreinblickenden Augen, der

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