Sherlock Holmes und das Druidengrab
beziehungsweise Hirnschlag. Einen natürlichen Tod also. Die Beerdigung fand bereits in aller Stille statt.“
„Und Pater van Dreelen?“
„Der starb Freitagnacht. Gestern früh. Er lebte in einer Privatwohnung im dritten Stock eines Mehrparteienhauses. Am Platný-Brunnen. Man hat ihn aus dem Fenster seines Schlafzimmers geworfen. Durch die geschlossene Fensterscheibe. Die Scherben lagen noch unter dem Leichnam. Dieses Mal jedoch gab es … zivile Zeugen.“
„Wen?“
„Er stürzte einer älteren Frau von mehr als zweifelhafter Profession genau vor die Füße.“
„Wurde van Dreelen ebenfalls bereits beerdigt?“
„Nein, denn die Frau schrie vor Schreck so laut, dass prompt ein Gendarm erschien. Die Sache ließ sich nicht mehr verheimlichen. Der Gendarm sprach von einem Suizid, obwohl ein Selbstmörder sicherlich vor seinem Sprung das Fenster geöffnet hätte. Davon abgesehen, dass der Freitod gegen sämtliche Prinzipien unseres Glaubens verstößt.“
„Kann man den Toten ansehen?“
„Er liegt noch im Clementinum. Meine Confratres beten für sein Seelenheil.“
„Und die Frau? Die Zeugin?“
„Der Bruder Pförtner wird ihren Namen wissen. In jener Nacht war es Bruder Fidelis. Fragen Sie nach ihm.“
„Können wir denn so einfach ins Clementinum hinein?“
„Ich werde Ihnen eine kurze Bestätigung ausstellen, dass Sie im Auftrag der Heiligen Mutter Kirche ermitteln. Dann wird Ihnen aufgetan. Catherine soll mir Papier, Tinte und Feder bringen.“
„Wir werden es ausrichten.“
„Aber nach dem Schreiben schlafen Sie!“, forderte ich. „Nochmals gute Nacht.“
Er erwiderte den Gruß nicht.
Wir trafen uns in unserem Wohnzimmer wieder. Holmes freute sich. „Jesuiten hin oder her, das Clementinum ist die älteste Mozart-Gedenkstätte überhaupt. Schön, dass der Zufall uns dorthin führt! Ah, Mrs Vrchlicková mit dem Abendbrot.“
Tatsächlich kam Catherine mit einem Tablett voller belegter Brote, einer Karaffe Bier und einem Briefumschlag.
„Ihr Empfehlungsschreiben, meine Herren!“
Im Gegensatz zu mir stand Holmes der Sinn nicht nach Essen. „Mrs Vrchlicková, was war das für ein schwerer Gegenstand in der Manteltasche?“ Zu mir gewandt, erklärte er: „Ich nahm ihn wahr, als ich beim Ausziehen des Mantels half. Darum machte ich Mrs Vrchlicková vor der Tür darauf aufmerksam!“
„So etwas habe ich noch nie gesehen, Mr Holmes. Halb Pistole, halb Kanone. Ich möchte wirklich wissen, wozu Darragh so etwas braucht! So ein Kaliber.“
Sie zeigte mit der Hand, was sie meinte. Holmes nahm sein Notizbuch, skizzierte mit dem Bleistift rasch etwas und hielt es uns hin.
„So?“
Catherine nickte. „Genau!“
Ich hatte so etwas schon einmal gesehen. „Im Reich, in Bayern feuern damit Männer mit riesigen Rauschebärten, in Trachtenanzügen, Salutschüsse ab. Wenn der Prinzregent Geburtstag hat, zum Beispiel. Handböller nennen sie das, wenn ich nicht irre.“
„Sie knallen nur“, dozierte Holmes, sachkundig wie immer, „weil sie mit Schwarzpulver, nicht mit Kugeln geladen werden. Entweder will der Pater gewaltigen Lärm erzeugen, was unwahrscheinlich wäre, oder er ist auf reine Schockwirkung aus.“
„Sein Mantel war übrigens ziemlich ramponiert“, erzählte Catherine weiter. „An der Schulter musste ich einen Winkelriss ausbessern. Und vorn zwei neue Knöpfe annähen. Und alles war voller Sand und Schlamm.“
„Sie haben eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, Mrs Vrchlicková!“, lobte Holmes.
„Nicht mehr als jede Frau. Übrigen steckte noch das hier in der Manteltasche ... bitte!“
Auf einem Stück Zeitungsrand standen die Wörter Lupanar und Markéta Čarná .
„Darüber werde ich mit Darragh noch ein ernstes Wörtchen reden müssen. Das Lupanar ist … ein Freudenhaus. Am Bodlecká-Platz. Und wer diese Markéta Čarná ist, wird er mir auch noch erklären müssen.“
„Er sprach von einer älteren Frau von äußerst zweifelhaftem Ruf, die seinen toten Confrater gefunden habe. Das könnte sie sein! Möglicherweise arbeitet sie im Lupanar . Der Zettel widerspräche allerdings seiner Behauptung, wir müssten den Namen der Frau beim Bruder Pförtner am Clementinum erfragen. Vielleicht will er sie aufsuchen, um ihr Schweigen zu erkaufen oder zu erzwingen. Er scheint nicht ehrlich zu sein!“
„ Omnia ad maiorem Dei Gloriam .“
„Sie haben recht, Watson! So leid es mir tut, Mrs Vrchlicková, ihr heimlicher Freund lügt, wenn er behauptet,
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