Sherlock Holmes und das Druidengrab
dachte.
Während sich rechter Hand eine Tür öffnete, fiel mir auf, wie unangenehm frisch es in diesem Haus war. Ein weiterer Mann und zwei Frauen betraten die Eingangshalle. Sie schien die Kälte nicht weiter zu stören. Die eine Frau war brünett, die andere schwarzhaarig, aber beide trugen sie schmale Röcke und westenförmige Oberteile, wie sie zwar langsam aus der Mode kamen, aber immer noch gern und oft angezogen wurden. Genau wie das weite Sakko des Mannes, sah die Kleidung recht teuer aus und ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um weitere Familienmitglieder handelte. Kurz darauf folgte eine dritte und merklich blassere Frau, ebenfalls mit dunklen Haaren.
„Was ist denn hier los?“, fragte sie. Der Diener fasste unser Begehr zusammen und sorgte so für noch mehr verblüffte Gesichter. Einzig Holmes schien nach wie vor kein Wässerchen trüben zu können. „Anscheinend liegt hier ein Missverständnis vor“, sagte er mit gelassener Miene. „Aber es sollte leicht sein, dies aufzuklären. Könnten Sie uns bitte den genauen Hergang des Giftanschlags auf Leonard Whedon mitteilen? Vielleicht entwirren wir das Knäuel auf diese Weise.“
„Da gibt es nicht viel zu berichten“, sagte die Frau. Sie besaß eine dünne Spitznase, einen schmalen Mund und hohe Wangenknochen. „Mein Mann nahm in der Bibliothek einen Tee zu sich, der offensichtlich vergiftet war. Soweit hat die Polizei inzwischen ermittelt. Nach wenigen Stunden übergab sich Leonard plötzlich heftig und unkontrolliert. Mehrere Male, teilweise sogar blutig. Als ich das sah, schickte ich unseren Diener Brody“, sie nickte kurz in Richtung des Mannes, der uns die Tür geöffnet hatte, „um einen Arzt zu holen. Als sie eintrafen, kämpfte mein Gatte mit blutigen Durchfällen und Pulsrasen. Nachdem sich sein Magen halbwegs beruhigt hatte, trugen ihn Cedric und Nicolas zum Bett, wo ihn der Doktor noch einmal untersuchte. Bald darauf kam es zu Atemlähmung und Herzversagen.“ Ihre Unterlippe zitterte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Er starb wenig später, ohne dass der Arzt ihm helfen konnte.“
Die schwarzhaarige Frau nahm sie wortlos in die Arme.
„Es tut uns leid, dass wir Sie diese schmerzhaften Erinnerungen erneut durchleben lassen“, versicherte Holmes und sprach damit das aus, was mir auf der Zunge lag. „Hat die Polizei die Tasse mit dem Gift untersucht?“
Nicolas Whedon schüttelte den Kopf. „Das war leider nicht möglich. Leonard hat den Tee wie üblich getrunken und kein Wort darüber verloren, dass etwas nicht stimmte. Also hat unser Diener das Geschirr danach wie üblich abgeräumt und gereinigt. Ebenso die Teekanne, nicht wahr, Brody?“
Mit gesenktem Haupt schüttelte der Diener den Kopf. „Ich bedauere es zutiefst, Sir. Beim Abräumen dachte ich nicht im Traum daran, dass es sich dabei um wichtige Beweisstücke handelt.“
„Woher sollten Sie auch?“, fragte Holmes. „Leider erschwert das zu klären, um welches Gift es sich handelt und wie es in die Tasse gelangte. Wenn Sie erlauben, würde ich mir aus diesem Grund gern den Ort des Verbrechens ansehen. Möglicherweise finden sich dort Hinweise, die helfen, die Tragödie schnell aufzuklären.“
„Wer sind Sie überhaupt?“, fragte der andere Mann und stellte sich als Cedric Whedon vor. Nebenbei richtete er sein Jackett und verschloss die beiden oberen Knöpfe, genauso, wie es die Ordnung verlangte.
Auch er hatte die für die Familie typische tief sitzende Stirn. Statt des unruhigen Blickes besaß sein Antlitz jedoch eher lausbubenhafte Züge. Die Grübchen in seinen Wangen und der Backenbart verstärkten den Eindruck noch. Die brünette Frau neben ihm war seine Gattin Victoria Whedon. Ihre großen Augen musterten uns forschend, während sie sich langsam in Catherines Richtung bewegte.
Holmes erklärte uns und unseren Besuch ein weiteres Mal und ich nutzte die Gelegenheit, jedes einzelne Gesicht genau zu betrachten. Jeder von ihnen wirkte verdächtig.
Wie wir gleich darauf erfuhren, handelte es sich bei der uns noch unbekannten Frau um Bethany, die Gattin von Nicolas Whedon. Trotz ihrer ebenfalls schwarzen Haare hatte sie kaum Ähnlichkeit zu Catherine und besaß ein rundliches Gesicht mit vollen Lippen und Stupsnase, die ihr etwas Gütiges anhafteten. Sie strich sanft über die Schultern ihrer schluchzenden Schwägerin und flüsterte ihr zu, dass sie am besten nach oben gehen sollten. Victoria trat neben sie, um die gramgebeugte
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