Sherlock Holmes und das Druidengrab
schüttelte den Kopf, nun in Gedanken. „So heißt es jedenfalls bei uns, und darum versucht sich meine Art, möglichst von den Menschen fernzuhalten. Aber Sie täuschen sich in mir, Mr Holmes. Ich bin anders. Mich interessieren diese neuen Entdeckungen und Erfindungen und mich faszinieren die Menschen. Wenn Sie so wollen, bin ich das, was in meinem Volk einem Wissenschaftler am nächsten kommt. Auch wenn mich meine Neugierde hier in eine missliche Lage gebracht hat.“ Völlig unerwartet beugte sie sich zu Holmes vor und küsste ihn auf die Wange. „Ich bin mir sicher, dass Sie eines Tages das Verlorene wiederfinden werden und damit auch Ihren Frieden.“
Dann verschwand sie, löste sich in Nichts auf, direkt vor unseren Augen.
Holmes bewegte sich nicht, stand noch eine Weile still, die Lider geschlossen. Ich überlegte gerade, ob ich ihn schütteln sollte, so wie er es bei mir gemacht hatte, als er die Augen aufschlug. Sein Gesicht zeigte die Andeutung eines Lächelns, das wuchs, breiter wurde und schließlich in einem Grinsen endete.
„Also Holmes, wirklich.“
„Nein, nein, nicht was Sie denken, Watson. Ich musste nur über mich selbst schmunzeln. Noch vor wenigen Stunden habe ich mir Sorgen gemacht, dass es nichts mehr zu entdecken gibt. Und jetzt ist die Welt mit einem Schlag so viel größer geworden, mit riesigen unerforschten Gebieten.“ Er klopfte den Kohlenstaub von seiner Hose. „Watson, lassen Sie uns heimfahren. Es ist spät und ich bin müde. Ist das nicht wunderbar? Ich glaube, ich könnte einen ganzen Tag durchschlafen.“
Sören Prescher
www.soeren-prescher.de
wurde am 9. August 1978 in Bautzen geboren, ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie in Nürnberg. Neben seiner Arbeit für ein internationales Wirtschaftsunternehmen schreibt er Artikel für das Nürnberger Musik- und Kulturmagazin RCN. Seit 1995 verfasst er kürzere und längere Geschichten, seit 1996 auch Gedichte. Nach „Der letzte Sommer“ (Lacrima Verlag) und dem Psycho-Drama „Superior“ (Brendle-Verlag) erschien im Herbst 2010 sein dritter Roman „Der Fall Nemesis“ bei Voodoo Press. Im Herbst 2012 folgt „Sherlock Holmes taucht ab“ in der „Meisterdetektive“-Reihe, eine Zusammenarbeit mit Tobias Bachmann, im Fabylon Verlag.
SCHLEICHENDES GIFT
Sören Prescher
Nur wenige Wochen nach unserem Ausflug nach Thorleywood, wo wir den Fall des verfluchten Mannes untersuchten, erreichte uns eine weitere mysteriöse Angelegenheit. Es war an einem Donnerstagvormittag Anfang August. Holmes versuchte sich einmal mehr als Chemielaborant und verpestete die Wohnung mit einem derartig beißenden Geruch, dass ich mich gleich nach meiner Ankunft genötigt sah, sämtliche Fenster zu öffnen.
Ich war froh, als Mrs Hudson klopfte und einen Gast ankündigte, der meinen Freund auf andere Gedanken brachte. Ich legte mein eben aufgeschlagenes Dickens-Buch zur Seite und musterte den Besucher genauer. Ein blasser Mittdreißiger mit tief sitzender Stirn und verschwitztem Lockenhaar, dessen Blick unruhig zwischen Holmes und mir hin und her schweifte. Auffällig waren sein maßgeschneiderter Zweiteiler und der Zylinder. Mit einem armen Schlucker hatten wir es offenbar nicht zu tun.
„Ich habe ihn auf das Haus zulaufen sehen, als ich gerade zum Wochenmarkt gehen wollte“, sagte meine ehemalige Vermieterin und betrachtete den Gast mit äußerst skeptischer Miene. „Beim Türöffnen rannte er mich förmlich über den Haufen.“
„Es tut mir leid.“ Der Fremde senkte kurz das Haupt, richtete sein Augenmerk danach aber sofort wieder auf uns. „Aber ich komme in äußerst dringender Angelegenheit. Jemand versucht, mich umzubringen.“
Mit interessierter Miene ließ Holmes das Reagenzglas sinken. Dem Gast genügte das, um fortzufahren: „Gestern Abend wurde ein Mordanschlag auf mich verübt. Ich wurde vergiftet. Vermutlich durch den Tee, den ich in der Bibliothek unseres Hauses getrunken habe. Ich weiß noch, dass er einen merkwürdigen Beigeschmack besaß, dachte mir beim Trinken aber nichts dabei. Binnen weniger Stunden plagte mich Übelkeit, gefolgt von Krämpfen, Pulsrasen und blutigem Erbrechen. Unser Hausarzt vermutete zuerst eine Morphiumvergiftung, aber weder besitzen wir welches im Haus, noch habe ich dieses Mittel jemals probiert. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.“
„Haben Sie eine Ahnung, wer Ihnen nach dem Leben trachtet, Mister …?“, fragte ich und ging auf den Mann
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