Sherlock Holmes und das Druidengrab
durchwühltem Haar aus Sir Cedrics’ Unterkunft schlich und in ihrem Gemach verschwand.“
Ein dünnes Lächeln erschien auf Holmes’ Gesicht. „Hat sie Sie bemerkt?“
Angelina schüttelte leicht den Kopf. „Ich kam in dem Moment die Treppe hinauf. Als ich sie sah, bin ich sofort stehen geblieben. Damals dachte ich mir noch nicht viel dabei. Aber seit der Sache mit Sir Leonard wage ich sie kaum anzusehen. Glauben Sie, dass sie etwas mit dem Mord zu tun hat?“
„Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das weder ausschließen noch bestätigen. Danke für Ihre Hilfe.“ Holmes drehte sich zu Brody. „Ich schätze, es ist an der Zeit, sich mit der trauernden Witwe zu unterhalten.“
Der Diener nickte und führte uns zu einem Zimmer auf der gegenüberliegenden Flurseite. Unterwegs grübelte ich über die neu gewonnenen Informationen. Ehebruch ergab in der Regel ein hervorragendes Mordmotiv. Dennoch hatte ich Bedenken, dass unsere Gleichung so leicht aufzulösen war. Sicherlich war die hiesige Polizei diesem Hinweis ebenfalls nachgegangen. Bei Tötungsdelikten zählten die Hinterbliebenen immer zu den Hauptverdächtigen. Dies war eines der ersten Dinge, die ich nach meinem Einzug in der Baker Street gelernt hatte. Holmes lächelte mir zu, als wüsste er genau, worüber ich nachdachte.
In diesem Moment antwortete Catherine Whedon auf Brodys Klopfen und wir betraten einen opulent eingerichteten Salon. Ich erblickte eine weinrote Chaiselongue mit ähnlich funkelndem Edelholz wie der Bibliothekstisch, einen massiven Steintisch und einen Sekretär, fast doppelt so groß wie meinen Kleiderschrank in London. Vor dem Südfenster mit seinen üppigen Vorgängen stand Sir Leonards Witwe und nippte an einem halb gefüllten Sherryglas. „Haben Sie schon etwas herausgefunden?“ Ihr Blick war traurig und abschätzend zugleich. „Wissen Sie, wer meinen Mann ermordet hat?“
„Noch sind wir dabei, die Puzzleteile zusammenzusetzen und sind dafür auf Ihre Mithilfe angewiesen. Allerdings geht es um eine recht delikate Angelegenheit.“
Sowohl Holmes als auch Catherine Whedons Blick wanderten zu Brody, der sofort das Haupt senkte und sich für eine weitere dringende Arbeit in der Küche verabschiedete. Mein Freund wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte und ging dann auf die Witwe zu.
„Worum geht es denn? Haben Sie Dinge über meinen Mann erfahren, die Ihre Ermittlungen in einem anderen Licht erscheinen lassen?“
„Ehrlich gesagt geht es vielmehr um Sie. Uns sind Gerüchte zu Ohren gekommen, dass Sie abseits Ihrer Ehe einer weiteren Beziehung nachgegangen sind.“
Catherine Whedons Augen weiteten sich vor Zorn. „Wie können Sie es wagen, mir derartige Sachen zu unterstellen? Ich bin eine trauernde Witwe. Besonders von Ihnen hätte ich ein umsichtigeres Verhalten erwartet.“
„Mit Verlaub, Madam, es gibt keinen Grund, die Affäre mit dem Bruder Ihres Mannes abzustreiten. Als wir bei unserer Ankunft den Grund unseres Besuches erwähnten, war Ihre allererste Reaktion, Cedric Whedon einen ängstlichen und fragenden Blick zuzuwerfen. Das allein ist selbstverständlich kein Beweis. Der fehlende Knopf an seinem verrutschten Hemd und dass er sofort sein Jackett darüber verschloss, legen allerdings nahe, dass Ihre letzte Begegnung noch nicht allzu lang zurückliegt. Sehen Sie …“ Holmes beugte sich zu Boden und hob neben der Chaiselounge einen kleinen Gegenstand auf. „… hier befindet sich der dazugehörige Knopf. Ebenfalls nicht vergessen wollen wir dieses dunkle Männerhaar hier.“
Bevor die Witwe wusste, wie ihr geschah, griff er mit Daumen und Zeigefinger auf ihre Schulter und hielt ihr nur Sekunden darauf ein einzelnes Haar vor das Gesicht. Selbst ich war verblüfft und glaubte kaum, welche deduktiven Schlüsse mein Begleiter hier in Windeseile gezogen hatte. Gleichzeitig grämte mich, dass ich wie üblich einen Großteil der Fakten zwar wahrgenommen, aber nicht miteinander kombiniert hatte. Doch das war wohl der Fluch eines jeden, der Holmes begleitete.
„Aber das ist …“
„Ich bin mir zudem sicher, dass sich auf Cedric Whedons Kleidung weitere Spuren finden lassen. Vielleicht ein Haar oder Spuren Ihres Parfüms. Wir können gern direkt zu ihm gehen und …“
Die Witwe hob die Hand und atmete tief durch. „Das wird nicht nötig sein. Es ist mir peinlich, es zuzugeben, aber bedauerlicherweise treffen Sie mit Ihrer Vermutung direkt ins Schwarze. Doch verurteilen Sie mich nicht vorschnell. Es
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