Sherlock Holmes und das Druidengrab
vorwarnen, dass es demnächst einige Veränderungen geben würde. Hätte ich ihm die Sache erklärt, hätte er sicherlich verstanden, dass Cedric bald nicht mehr mit im Boot sitzen würde. Er verfügt ohnehin über nicht viel Geschäftssinn.“
„Dafür aber offenbar über ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt, nicht wahr, Cedric? Unter welchen Vorwand haben Sie Ihren Bruder Nicolas abgefangen, damit dieser nicht in die Bibliothek ging? Baten Sie ihn um eine Aussprache oder ging es darum, ihm mitteilen, dass Sie nun bereit wären, die Papiere zu unterzeichnen?“
„Er wollte eine Aussprache“, sagte Nicolas kleinlaut. Cedrics erbosten Blick schien er bewusst zu übersehen. „Merkwürdig war allerdings, dass er noch eine Kleinigkeit zu erledigen hatte und mich bat, kurz auf ihn im Studierzimmer zu warten.“
„Ich kann mir gut vorstellen, um welche Kleinigkeit es sich dabei handelte“, sagte Holmes und wandte sich zum Inspektor. „Wenn Sie Cedric Whedons Räume durchsuchen, dürften Sie schnell auf einen kleinen Revolver stoßen. Mit etwas Glück finden Sie auf dem rechten Ärmel seines Jacketts auch die Schmauchspuren des Schusses. Die dazugehörige Kugel habe ich hier. Nachdem diese seinen Bruder verfehlte, wird sich Cedric bestimmt nicht die Mühe gemacht haben, das Jackett in die Wäsche zu geben. Ein weiteres Indiz dürfte die Erde an seinen Schuhsohlen sein, die direkt aus dem Garten neben dem Studierzimmer stammt. Die Spuren selbst hat Cedric ja allesamt entfernt, wie mein Kollege Watson und ich vorhin überprüft haben. Habe ich noch irgendetwas vergessen?“
„Aber wieso hat Leonard dann den Tee getrunken, wenn er sich Stunden zuvor noch darüber beschwert hatte?“ Catherine betrachtete Holmes mit verstörter Miene. Ihre Augen waren glasig und ließen keinen Zweifel daran, dass sie hart gegen die Tränen kämpfte. Sie so aufgelöst zu sehen, tat mir in der Seele weh.
„Nun, der genaue Grund lässt sich im Nachhinein nur schwer ermitteln. Ich befürchte, er bekam einfach irgendwann Durst. Und anstatt Brody um ein anderes Getränk zu bitten, nahm er mit dem vorlieb, was sich bereits in der Bibliothek befand.“
„Sie meinen, der Tod meines Mannes war lediglich ein unglücklicher Zufall?“ Ihre Lippen zuckten unkontrolliert und wie bei unserer Ankunft, eilte Cedrics Frau Victoria zu ihr, um sie zu trösten.
„Es tut mir leid“, sagte Holmes leise.
Dem konnte ich mich anschließen. Gern hätte ich der Witwe eine bessere Erklärung geliefert, doch alles andere wäre eine Lüge gewesen. Das Leben nahm manchmal eben sehr merkwürdige Wendungen.
„Das alles wäre nicht passiert, wenn du nicht so gierig geworden wärst“, zischte Cedric Nicolas an.
„Das sagst ausgerechnet du?“ Nicolas verengte die Augen zu Schlitzen. „Versuchst deinen eigenen Bruder zu ermorden? Und hintergehst nebenbei den anderen?“
„Keiner von Ihnen beiden ist besser als der andere“, sagte der rothaarige Inspektor und gab dem Konstabler ein Zeichen, mit ihm zu kommen. „Sie beide sind abgrundtief verdorben. Ich hoffe, Sie besitzen wenigstens genug Anstand, auf der Wache keine weiteren Sperenzchen zu veranstalten. Zuvor unternehmen wir allerdings noch einen kleinen Ausflug. Gewisse Dokumente und ein Revolver in Ihren Unterkünften interessieren mich doch sehr. Und Sie begleiten uns bitte ebenso.“ Die letzten Worte waren an Bethany Whedon gerichtet. Die nickte lediglich. Nach wie vor schien es ihr die Sprache verschlagen zu haben.
Zufrieden beobachtete ich, wie die Polizisten sie und die beiden Brüder abführten. Zurück blieben Leonards schluchzende Witwe und seine Schwägerin, die Catherine fest an sich drückte und ihr beruhigend über Schultern und Rücken strich. Ein Bild zum Steine erweichen.
Zögernd kamen Angelina und Brody auf uns zu. Der Diener bedachte mich dabei mit einem Blick, der mein schlechtes Gewissen mit jeder Sekunde erhöhte. Es tat mir leid, ihn verdächtigt zu haben. Glücklicherweise hatte ich keine meiner Vermutungen laut ausgesprochen.
„Mr Holmes, Dr. Watson, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Brody schüttelte den Kopf. „Niemals hätte ich das alles für möglich gehalten.“
„Die Wirklichkeit ist manchmal eben fantastischer als jede erfundene Geschichte“, erwiderte Holmes. „Aber zweifeln Sie und Angelina wegen der jüngsten Ereignisse nicht an sich selbst. Keiner von ihnen hat sich in irgendeiner Weise schuldig gemacht. Im Gegenteil, Sie scheinen hier
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