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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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will«, erwiderte ich vorsichtig. »Und ich möchte auf keinen Fall, daß es sich in kriminellen Kreisen herumspricht, daß ich noch lebe. Diese Neuigkeit soll man erst erfahren, wenn ich dazu bereit bin.«
    »Sie können sich darauf verlassen, daß ich Ihre Wünsche respektieren werde.« In freundlichem Schweigen saß sie da und wartete, wie ich feststellte, auf eine Erwiderung von mir. Es sah so aus, als wäre es mir bestimmt, im Umgang mit dieser Frau immer das Nachsehen zu haben. Mit schmerzhaft pochenden Schläfen erinnerte ich mich nun wieder an das, was sie kurz zuvor gesagt hatte.
    »Welche Dienste meinen Sie?«
    »Haben Sie etwas von dem Tumult auf der Bühne heute abend mitbekommen?«
    »Ich habe etwas gehört, ja.«
    »Es hat einen Selbstmord gegeben.«
    »Einen Selbstmord?«
    »Ich werde Ihnen alle Einzelheiten geben, die mir bekannt sind. Haben Sie eine Zigarette für mich? Diese Rolle hat mich, fürchte ich, auf den Geschmack gebracht.«
    Ich zog mein Zigarettenetui hervor und bot ihr eine an, wobei ich es vermied, in irgendeiner Weise meine Mißbilligung kundzutun. Ich hatte das Gefühl, daß ein Protest meinerseits nur dazu führen würde, daß sie mich auslachte und auf eine Art ›Künstlervorrecht‹ pochen würde.
    »Wer hat Selbstmord begangen?«
    Sie ließ sich Feuer geben und machte einen Aschenbecher ausfindig, bevor sie mir antwortete.
    »Der Maschinenmeister, Joseph Buquet. Man hat ihn während des zweiten Akts im dritten Untergeschoß unter der Bühne erhängt aufgefunden.«
    »Aha.«
    »Zweifellos haben Sie mitbekommen, daß während der Vorstellung heute abend etwas passiert ist?«
    »Wir haben da irgendein Durcheinander gehört, ja.«
    Ich stellte fest, daß ich automatisch die Position eingenommen hatte, in der ich früher immer einem Klienten zugehört hatte, wenn er mir den Hintergrund eines Falles schilderte: die Finger aneinandergelegt, die Augen geschlossen, um jegliche Ablenkung zu vermeiden.
    »Also, jetzt kennen Sie den Grund für diese Störung.«
    »Das ist wirklich traurig«, hörte ich mich sagen, »scheint jedoch kaum meine Aufmerksamkeit zu erfordern.«
    »Kennen Sie Christine Daaé?« fragte sie, statt mir direkt zu antworten.
    »Ich kenne ihre Stimme. Wir hatten bisher keine Gelegenheit, uns kennenzulernen.«
    »Sie ist meine Freundin.« Bei dieser Bemerkung öffnete ich meine Augen und sah, wie ihre amüsiert zwinkerten. »Oh, ich weiß, was die Öffentlichkeit gerne denkt und was die Zeitungen sie gerne glauben machen möchten – eine furchtbare Rivalität unter Primadonnen, haarsträubende Faustkämpfe hinter den Kulissen und so weiter.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber wohl kaum, glaube ich, zwischen einem Mezzo- und einem Koloratursopran. Wir stehen nicht in direkter Konkurrenz, nein«, fuhr sie fort, während sie nachdenklich ihre Zigarette ausdrückte. »Ich hege keinen Groll gegen die kleine Christine. Im Gegenteil, ich habe eindeutig den Wunsch, sie zu beschützen. Ich habe sie sozusagen unter meine Fittiche genommen.«
    »Ach, wirklich?«
    »Es gibt Menschen auf der Welt, Monsieur Sigerson, die nur eine einzige Begabung haben. Einige sind Denkmaschinen …« Sie ließ diesen Satz mit einem Lächeln verklingen, und ich neigte den Kopf. »Andere haben eben andere Spezialgebiete – oder sollte ich vielleicht sagen, Beschränkungen?«
    »Sprechen Sie von dem Vicomte de Chagny?«
    Sie zog die Augenbrauen hoch.
    »Sie haben scharfe Ohren.«
    »Na, na, Madame. Auf der Bühne hört man beinahe alles, ob man will oder nicht.«
    »Der junge Mann ist eindeutig in sie verliebt, aber er ist nicht der einzige.«
    »Wen gibt es denn noch?«
    »Joseph Buquet.«
    Zum zweiten Mal öffneten sich meine Augen. Diesmal stellte ich fest, daß sie nicht lächelte.
    »Der Maschinenmeister? Ja, ich habe tatsächlich etwas in der Art gehört, jetzt, wo Sie es sagen. Er hatte sich ein ziemlich hohes Ziel gesetzt, wenn er glaubte, Mademoiselle Daaés Gunst erringen zu können.«
    »Das jedenfalls war auch die Ansicht des jungen Vicomte, der ihn in ihrem Ankleideraum gefunden hat, als er ihr gerade auf den Knien seine Ergebenheit beteuerte.«
    »Ich nehme an, es hat eine Szene gegeben?«
    Sie zuckte unmerklich mit ihren eleganten Schultern.
    »Ich konnte das Ganze von meiner Garderobe aus, die neben der ihren liegt, ziemlich deutlich hören. Der Vicomte warf Buquet aus Christines Zimmer hinaus, verließ kurze Zeit später in Gesellschaft seines Bruders, dem Comte, die Oper und

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