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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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herüber.
    »Es ist schon in Ordnung, das ist Sigerson«, sagte mein Freund Jacques. »Er war es nicht, um Himmels willen.«
    »Was ist passiert?« Ich mußte die Frage mehrmals stellen, bevor einer von ihnen antwortete.
    »Sie kennen doch César?«
    »Den wunderschönen weißen Wallach aus Mondego ?«
    »Er ist gestohlen worden!«
    »Was Sie nicht sagen. Wann?«
    »Gerade eben – das heißt innerhalb der letzten zwölf Stunden. Zur Zeit sind nur vierzehn Pferde in den Ställen – oder waren, sollte ich besser sagen, denn César ist verschwunden, und gleich wird hier die Hölle los sein.«
    »Sie werden uns samt und sonders rauswerfen, das sage ich euch«, prophezeite der freimütige Stallknecht, der mich anfangs angesprochen hatte.
    »Verstehe ich recht, daß es keine Möglichkeit gibt, daß César sich einfach hier unten verirrt haben könnte?«
    »Wohin verirrt? Er könnte nur nach oben gehen, Monsieur. Und dann kommt er auf die Bühne.«
    »Warum kann er nicht nach unten?«
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Sehen Sie doch selbst, Monsieur. Dort ist ein eisernes Tor, das immer verschlossen ist, und dieses Tor trennt den Rest des Gebäudes vom See. Ich kenne niemanden, der den Schlüssel dazu hat. Und es ist schon seit einiger Zeit nicht geöffnet worden, wie Sie an dem eingerosteten Schloß sehen können.«
    Der Torbogen, zu dem er mich führte, war achtzehn Fuß hoch, reichte bis zur Decke und schloß mit dem steinernen Fußboden ab, so daß kein Mensch und erst recht kein Pferd hindurch konnte. Das Schloß war schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden.
    »Sind die Ställe nachts unbemannt?«
    »Die Ställe sind nie unbemannt. Es sind immer mindestens zwei von uns im Dienst. Gibt es irgend etwas, was wir für Sie tun können, Monsieur? Wir haben im Augenblick eigentlich nicht viel Zeit.«
    »Ich verstehe.« Keiner hatte an diesem schicksalsschweren Tag so recht Zeit für mich. Ich drehte mich um, um denselben Weg, den ich gekommen war, wieder zurückzugehen, blieb dann jedoch noch einmal stehen. »Sagen Sie mir, hören Sie hier manchmal Geräusche?«
    »Was für Geräusche?« fragte der ehrliche Jacques.
    »Musik zum Beispiel.«
    »O ja, die ganze Zeit. Das ist der Organist.«
    »Der Organist.«
    »Er übt andauernd, und die Musik treibt zu uns herunter. Manchmal hören wir ihn auch singen – ein voller, schöner Bariton.«
    Ich fragte mich, ob die Musik nicht eher zu ihnen hinauf trieb.
    »Aha. Vielen Dank. Ich werde auf alle Fälle nach César Ausschau halten.«
    »Na, das wird schon was nützen«, hörte ich einen von ihnen murmeln, als ich mich daran machte, der Spur meines Garns, das ich im Gehen aufwickelte, nach oben ins Theater zu folgen.
    Als ich im zweiten Untergeschoß ankam und um eine Ecke bog, blieb ich abrupt stehen.
    Jemand hatte das Garn durchtrennt. Der Rest meiner grünen Spur war nirgendwo zu sehen. Ich hatte eine klare Vorstellung, wo ich mich befand; das Garn war nur durchgeschnitten worden, um mir die Gegenwart meines unsichtbaren Widersachers anzuzeigen. Er hatte sich auf die merkwürdigsten Visitenkarten spezialisiert.
    Und dann hörte ich wieder den leisen Klang dieses körperlosen Lachens.
    Ich zog mich um und nahm, wie vereinbart, meinen Platz hinter Moncharmin und Richard in Loge fünf ein. Ich hatte einen guten Blick auf die Bühne, da die beiden neuen Direktoren sich vor dem Publikum verbeugten und mit ihrem Erfolg brüsteten; sie kosteten ihr Debüt voll und ganz aus. Nichts konnte jedoch das ungute Gefühl zerstreuen, mit dem ich der Vorstellung entgegensah. Ich war zuvor auf der Bühne herumgestrichen und hatte festgestellt, daß alles war, wie es sein sollte. Den armen Léonard hatte ich so erschreckt, daß er ganz bestimmt für die nächsten Stunden seinen Kulissentisch auch nicht eine Minute lang aus den Augen lassen würde. Das corps de ballet schwatzte glücklich vor sich hin wie eine Schar Gänse, und der Chor war damit beschäftigt, Strumpfhosen anzuziehen und Perücken geradezurücken. La Sorelli befand sich in ihrem Ankleideraum und übte Tonleiter.
    Ich war so kühn gewesen, sie zu fragen, ob ihr irgendwelche Gerüchte zu Ohren gekommen seien.
    »Pah! Ich bekam sogar einen Drohbrief.«
    »Dürfte ich ihn wohl sehen?«
    »Ich habe ihn weggeworfen«, sagte sie voller Verachtung. »Ich bekomme so was jeden Tag«, fügte sie hinzu. »›Sorelli, du sollst heute abend nicht singen! Du hast den Frosch im Hals!‹ Ha!« Sie lachte wieder. »Das ist eine Verschwörung von

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