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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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die Tür, durch die ich in die Ankleideräume kommen würde.
    Meine Intuition wurde durch den Anblick der beiden Männer belohnt – den scharlachroten Riesen mit dem Pierrot im Kielwasser –, die beide den verlassenen Korridor vor mir hinunterliefen. Die Schritte meiner Stiefel hallten in dem schmalen Gang lautstark wider, und jeder einzelne hörte sich wie ein Pistolenknall an. Ich holte alles aus mir heraus, um so schnell wie möglich zu laufen, und meine Lungen waren kurz vor dem Bersten, als ich erst den einen, dann den anderen Flüchtenden blitzschnell in Christine Daaés Ankleideraum verschwinden sah.
    Keuchend wie ein Ertrinkender rang ich nach Luft und stürzte direkt hinter Pierrot durch die Tür, gerade noch rechtzeitig, um ein verblüffendes Aufblitzen silberfarbener Spiegel zu bemerken, die mich mit ihren herumwirbelnden Reflektionen kurzfristig blendeten. Und dann, es war eigentlich unmöglich, war ich plötzlich allein. Ich krümmte mich, um überhaupt noch Luft bekommen zu können. Meine Lippen unter meinem Domino waren schweißnaß.
    Vornübergebeugt stand ich dort und rang immer noch um Atem, als die hämmernden Schritte und Rufe, die mich verfolgt hatten, näher kamen. Jemand stieß die Tür des Ankleideraums so energisch auf, daß sie von der Wand dahinter abprallte. Binnen eines Augenblicks füllte sich das Zimmer mit einem halben Dutzend Männer, von denen zwei mich rauh ergriffen und auf die Füße zogen, während mir ein dritter die Maske vom Gesicht riß.
    »Monsieur Sigerson!« rief Moncharmin, während er gleichzeitig seine eigene Maske abnahm … »Was hat das zu bedeuten?«
    »Sie kennen diesen Gentleman?« verlangte eine schlanke Gestalt in Rot zu wissen, die einen seidenen Opernumhang trug. Der Mann nahm ebenfalls seine Maske ab und entblößte harte, humorlose Gesichtszüge sowie einen leichten Oberlippenbart.
    »Ja, tatsächlich, Monsieur Mifroid«, rief Ponelle aus und sah mich schuldbewußt an. Seine ehrlichen Züge waren vor Bestürzung ganz zerknittert. »Das ist der Mann, der behauptet, auf Ihr Geheiß den Tod von Joseph Buquet zu untersuchen – aber er ist schon drei Wochen vor dem Mord in der Opéra angestellt worden. Ich wußte, daß da etwas nicht stimmte«, fügte er hinzu, beinahe so, als wolle er sein Verhalten mir erklären und nicht dem schlanken Polizisten.
    »Ich verstehe.« Mifroid kam nun in die Ecke des Zimmers, in der ich hilflos und keuchend wie ein völlig erschöpftes Rennpferd stand. Er betrachtete mich von oben bis unten, als begutachte er einen verwesten Kadaver. Um seine Lippen spielte ein kaum sichtbares Hohnlächeln.
    »Gestatten Sie mir, alles zu erklären«, begann ich, kam aber nicht weiter. Die Menge hatte mein Blut gerochen.
    »Er wollte die Baupläne für das ganze Gebäude sehen!« rief einer von ihnen.
    »Er hat auf dem Ball versucht, Christine festzuhalten!« rief ein anderer.
    »Er hat Mademoiselle Adler angegriffen!« wußte ein Dritter beizusteuern.
    »Meine Herren, bitte hören Sie mich an.«
    »Seien Sie still! Monsieur Sigerson, Sie sind vorläufig festgenommen.«

KAPITEL VIERZEHN

    Orpheus’ Unterwelt

    »Sie müssen mich anhören!« beharrte ich und versuchte vergeblich, mich zu befreien. »Während wir hier stehen, spielt sich woanders vielleicht eine Tragödie ab!«
    »Es hat sich bereits eine Tragödie abgespielt«, erinnerte Mifroid mich, während er ungerührt seine Musterung meiner Person fortsetzte.
    Meine Position war unhaltbar, Watson. Einer nach dem anderen sagten sie gegen mich aus, erinnerten sich an die Fragen, die ich gestellt hatte, die Geschichten, die ich erzählt hatte, um meine Fragen zu entschuldigen, mein Verschwinden aus dem Orchester an dem Abend, als der Kronleuchter von der Decke gefallen war, und tausend andere unerklärliche Einzelheiten, die für sich selbst nichts bedeuteten, insgesamt jedoch eine verhängnisvolle Kette bildeten und die Dinge für mich in einem ganz schlechten Licht erscheinen ließen. Moncharmin und Richard, vollkommen absurd in ihrer lächerlichen Aufmachung, pochten feierlich auf meine Schuld, erinnerten sich an meinen Besuch in ihrem Büro, den sie nunmehr als Teil einer Reihe von Drohungen meinerseits schilderten. Mit einer gewissen niederträchtigen Schlauheit hatten die beiden Schurken den Vorteil erkannt, hier einem anderen die Schuld für all das, was geschehen war, in die Schuhe schieben zu können – egal, um wen es sich dabei handelte –, und das, bevor es Prozesse zu

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