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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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auf.
    »Was soll das?« rief ich überrascht, als ich auf einem Stuhl in der Nähe der Tür ein zugedecktes Tablett erblickte. »Frühstück im Bett? Ich sage dir, ich bin –«
    »Mein Gefühl sagt mir, daß du gerade Zeit genug haben wirst, es zu dir zu nehmen«, sagte sie traurig und stellte das Tablett vor mich hin.
    Ich wollte sie schon fragen, was sie damit meinte, als ich den gelben Umschlag neben der Zuckerdose erblickte. Ich warf einen unsicheren Blick auf meine Frau, aber sie nickte mir tapfer und ermutigend zu, und ich öffnete den Umschlag.

    KANN IHRE PRAXIS SIE EIN PAAR TAGE ENTBEHREN? DAS SPIEL HAT BEGONNEN, UND IHR BEISTAND WÄRE UNSCHÄTZBAR! BRINGEN SIE TOBY NACH EINS EINS VIER MUNRO ROAD HAMMERSMITH. SEIEN SIE VORSICHTIG! HOLMES.
    Toby!
    Ich sah meine Frau an.
    »Es geht los«, sagte sie leise.
    »Ja.« Ich versuchte, meine Aufregung nicht durchklingen zu lassen. Die Jagd war im Gange, und niemand wußte, wie sie enden würde.
    Ich absolvierte Frühstück und Toilette in höchster Geschwindigkeit, die Müdigkeit war wie weggeblasen. Meine Frau packte in aller Eile eine Reisetasche. Als Frau und Tochter ehemaliger Militärs war sie beim Packen schnell und geschickt. Die Tasche war zur gleichen Zeit reisefertig wie ich, nur daß ich, als sie nicht hinsah, meinen alten Dienstrevolver hineingleiten ließ. Das hatte Holmes mit SEIEN SIE VORSICHTIG gemeint, und obwohl ich wußte, daß ich keine Waffe brauchen würde, hielt ich es für unklug, auch nur eine einzige seiner Anweisungen zu ignorieren. Ebensowenig wollte ich aber meine Frau wissen lassen, daß ich dieselben befolgte. Ich küßte sie zum Abschied und erinnerte sie daran, mit Cullingworth über meine Patienten zu sprechen.
    Die nächste Anweisung war, Toby zu holen und Holmes am Hause des Professors zu treffen, und ich machte mich auf, sie auszuführen.
    Von der Straße war nichts zu sehen. Der Nebel, der sich einige Stunden vorher noch in Bodennähe befunden hatte, war jetzt etwa in Kopfhöhe und darüber. Es war nicht weiter schwierig, seine Dichte zu messen: Er war undurchdringlich. Ich war umgeben von schwefeligem gelbem Dunst, der in Augen und Lungen stach. London hatte sich in wenigen Stunden in eine gruselige Traumwelt verwandelt, in der die Geräusche die Sicht ersetzten.
    Von verschiedenen Seiten drangen das Getrappel der Pferdehufe auf dem Kopfsteinpflaster und das Geschrei der Straßenhändler, die vor unsichtbaren Gebäuden ihre Waren ausriefen, an meine Ohren. Wie um die unheimliche Atmosphäre noch zu verstärken, leierte irgendwo in der Düsternis ein Drehorgelmann eine melancholische Fassung des Liedes ›Poor Little Buttercup‹.
    Während ich mich langsam an die nächste Straßenecke schob, wobei ich mir mit meinem Stock den Weg bahnte und anderen Passanten im letzten Moment auswich, konnte ich vage die hell scheinenden Flecken in dem sonst gleichbleibend hellen Dunst erkennen. Ein Fremder hätte einige Zeit gebraucht, um sie als die Straßenlaternen zu erkennen, die nun – mit wenig Erfolg – auch am Tage brannten. Ich, als alter Londoner, erkannte sie natürlich sofort.
    Selbst für die damalige Zeit war der Nebel, durch den ich an diesem Tage wanderte, ganz ungewöhnlich dicht.
    Als ich schließlich eine Droschke gefunden hatte, ging die Reise nach Nr.3, Pinchin Lane, Lambeth, qualvoll langsam vonstatten. Ich starrte aus dem Fenster in das gelbsüchtige Nichts und fand gelegentlich eine Landmarke, die verhieß, daß wir noch auf dem rechten Pfad waren. Hanover Square, Grosvenor Square, Whitehall, Westminster und endlich Westminster Bridge waren die verhüllten Kulissen auf dem Wege zu jener unfreundlichen Gasse, in welcher Mr. Sherman, der Naturforscher, hauste. Ihm gehörte jener bemerkenswerte Hund Toby, der Holmes so häufig bei seinen Untersuchungen von Nutzen gewesen war.
    Hätte Toby einen Stammbaum besessen, so wäre er wohl als Bluthund bezeichnet worden. Da er das jedoch nicht hatte, konnte niemand – auch Mr. Sherman nicht, mit dem ich das Thema einmal erörterte – feststellen, welcher Rasse Toby zugehörte. Mr. Sherman äußerte vorsichtig die Vermutung, es könne sich um eine Mischung zwischen Spaniel und Spürhund (letzteres wiederum eine Kreuzung aus schottischem Schäferhund und Windhund) handeln, aber er überzeugte mich nicht. Tobys braun-weiß geschecktes Fell, seine Schlappohren und sein ungeschicktes Gewatschel genügten mir, die Frage seiner Abstammung als ewiges Rätsel bestehen zu

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