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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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lassen.
    Irgendwann in seinem Leben war eine gewisse Anzahl seiner Haare einer Krankheit zum Opfer gefallen, so daß seine äußere Erscheinung alles andere als anziehend wirkte. Dennoch war Toby ein freundliches und liebevolles Tier und hatte keinen Grund, sich gegenüber anderen Hunden unterlegen zu fühlen, auch wenn sie vornehmerer Herkunft waren. Sein Stammbaum war seine Nase. Soweit ich feststellen konnte, wurde sein Geruchssinn niemals von einem anderen Tier übertroffen. Manche Leser werden sich Tobys bemerkenswerter Talente von meinem Bericht über das ›Zeichen der Vier‹ her erinnern. Praktisch war er es, der den berüchtigten Jonathan Small und seinen entsetzlichen Gefährten entdeckte. Er folgte ihnen durch halb London mit nichts als ein wenig Kreosot auf den nackten Sohlen des letzteren, um ihm auf die Spur zu helfen. Es stimmt zwar, daß er uns einmal statt zu dem Verfolgten zu einem Faß voll Kreosot und damit in eine Sackgasse führte, aber das auch nur, weil der Weg des Flüchtigen sich mit dem des Fasses gekreuzt hatte. Als Holmes und ich ihn an die Spur zurückführten, erkannte er seinen Irrtum und brachte uns auf den richtigen Weg – mit dem Ergebnis, das ich an anderer Stelle beschrieben habe.
    Aber selbst in meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht vermutet, zu was für genialen Höhenflügen Toby sich binnen kurzem aufschwingen würde.
    Dem Kreischen und Schreien von Tierstimmen konnte ich entnehmen, daß wir endlich angekommen waren, und ich bat den Fahrer zu warten. Das tat er nur zu gern. Jede neue Fahrt bei diesem Wetter war so gefährlich wie furchterregend.
    Ich stieg aus und blickte mich nach den jammervollen Häuserreihen um, die, wie ich wußte, die Straße einrahmten, aber sie waren nicht zu sehen. Nur das Grunzen und Geschrei der Shermanschen Sammlung führten mich zu dessen Tür.
    Ich klopfte laut und rief außerdem, denn die Töne da drinnen waren so rauh, als ob die ganze Menagerie verstört sei von dem schrecklichen Vorhang aus Ruß und Nebel, der die gewohnte Sonne verhängte. Aber dann machte ich mir klar, daß diese Stimmen wohl nur selten ganz verstummten, und ich überlegte mir, was für eine Wirkung die ständigen Mißklänge wohl auf den Eigentümer haben mußten.
    Ich hatte Sherman mehrmals getroffen, wenn ich von Holmes nach Toby ausgeschickt worden war. Zwar hatte er mir das erste Mal mit einer Viper gedroht, aber das war, bevor er wußte, daß ich mit Holmes befreundet war. Als er dies erfuhr, hatte er mir sein Haus geöffnet und mich seither immer willkommen geheißen. Seine ursprüngliche Feindseligkeit hatte er damit erklärt, daß ihn die Kinder der Gegend immer hänselten. Es war nun mehr als ein Jahr seit meinem letzten Besuch verflossen. Damals hatte Holmes Toby gebraucht, um einen Orang-Utan durch die Abwasserkanäle von Marseille zu verfolgen.
    Dieser Fall, obwohl ich ihn nie niedergeschrieben habe, entbehrte keinesfalls dessen, was Holmes leichthin ›interessante Züge‹ nannte. Wie ich mich entsinne, verlieh die polnische Regierung Holmes danach in Anerkennung seiner Verdienste den Orden des St. Stanislaus zweiter Klasse. *
    Das Stampfen und Schreien im Haus ging ohne Unterlaß weiter. Schließlich wurde die Tür geöffnet.
    »Ah, warte nur, du kleiner –« Die schielenden Augen des Naturforschers nahmen mich über die Brillenränder wahr. »Oh, Dr. Watson Entschuldigen Sie, treten Sie ein, treten Sie ein. Ich dachte, es sei einer dieser Lumpenkerle, die ihre Streiche in diesem verfluchten Nebel spielen. Wie haben Sie nur hergefunden? Kommen Sie herein.«
    Er hielt einen Affen in den Armen, und ich mußte ein Hindernis übersteigen, das mir als zahnloser Dachs bekannt war. Der ganze Zoo verstummte plötzlich, als hätte ich ein Zauberwort gesprochen. Abgesehen von dem sanften Gurren eines grauen Taubenpärchens auf einem Regal und dem Quieken eines Schweines irgendwo im Hinterzimmer war das Heim des Naturforschers mit einem Mal in tiefes Schweigen getaucht. In der Stille konnte ich die Wellen der Themse an die Mauern schlagen hören. Vor dem Fenster vernahm man ganz schwach die Schreie der Möwen, die ziellos in der Finsternis umherflatterten.
    Sherman schob mit sanfter Gebärde einen alten einäugigen Kater von einem hölzernen Schaukelstuhl, den er mir anbot. Ich setzte mich, obwohl ich nicht die Absicht hatte, lange zu bleiben. Etwas an dem Manne verriet ein Verlangen nach menschlicher Gesellschaft, und ich konnte mich nicht überwinden,

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