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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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ganz entsprach –, wer in aller Welt war dann unsere Klientin, und woher stammten ihre intimen Kenntnisse, derentwegen sie (ohne Zweifel) entführt worden war?
    Ich warf einen Blick zu Freud hinüber und sah, daß auch er dem Problem nachhing. Auf den ersten Blick schien er die Abenteuer des Mannes im Bärenfell zu verfolgen, aber die Bewegung seiner Augenlider verriet, daß seine Gedanken abschweiften.
    Auf der Heimfahrt im Landauer war Holmes nicht bereit, sich zu der Sache zu äußern. Er beschränkte sich ganz auf Kommentare über die Vorführung.
    Im Arbeitszimmer in der Berggasse wünschte Freud seiner Frau gute Nacht und bot uns Kognak und Zigarren an. Ich akzeptierte beides, aber Holmes begnügte sich mit einem Stück Zucker aus der Porzellandose in der Küche. Wir hatten es uns gerade in unseren Sesseln bequem gemacht, um unsere Strategie zu besprechen, als Holmes eine Entschuldigung murmelte und versprach, sogleich wiederzukommen. Sobald er aus dem Zimmer war, runzelte Freud die Stirn, kniff die Lippen zusammen und warf mir einen besorgten Blick zu.
    »Entschuldigen Sie mich bitte auch für einen Augenblick, Doktor? Oder vielleicht kommen Sie besser mit.«
    Er verließ den Raum in großer Hast und rannte mehr oder minder die Treppe hinauf. Ich folgte ihm verblüfft. Er stürzte, ohne zu klopfen, in Holmes’ Zimmer. Dieser stand da und starrte auf eine Spritze und eine Flasche Kokain auf der Kommode. Er schien nicht überrascht, uns zu sehen, ich aber schnappte vor Erstaunen nach Luft. Auch Freud stand unbeweglich. Er und Holmes schienen eine Art stille Zwiesprache zu führen. Schließlich brach der Detektiv mit einem kläglichen Lächeln das Schweigen.
    »Ich habe es gerade erwogen«, sagte er langsam und ein wenig bedauernd.
    »Das hat mir Ihr Zuckerstück verraten«, sagte Freud. »Wir Mediziner haben manchmal Methoden, die den Ihren nicht unähnlich sind. Bedenken Sie gut, was Sie tun: Sie werden weder uns von Nutzen sein noch der jungen Frau, der Sie helfen wollen, wenn Sie diese Angewohnheit wieder aufnehmen.«
    »Ich weiß.«
    Wieder starrte er auf die Flasche, sein Kinn hatte er auf die Hände gestützt. Kokain und Spritze wirkten auf absurde Weise wie Opfer auf einem Altar. Ich schauderte bei dem Gedanken daran, wie viele Unglückliche von ihrer Sucht dazu getrieben wurden, in Rauschgiften einen Religionsersatz, einen Gott zu sehen, aber ich wußte, noch bevor Holmes aufstand und sich umwandte, daß er nicht mehr zu ihnen zählte.
    Er nahm Gefäß und Nadel und überreichte sie wie beiläufig Freud (wie er ihrer habhaft geworden war, habe ich nie erfahren). Dann griff er nach seiner Shagpfeife und folgte uns aus dem Zimmer, wobei er leise die Tür hinter sich zuschloß.
    Wir kehrten zu unseren Sesseln im Arbeitszimmer zurück. Freud ging auf den Vorfall nicht mehr ein, sondern berichtete von unserer Begegnung mit dem jungen Baron in Maumberg.
    Der Detektiv lauschte schweigend, nur einmal bemerkte er: »Keine Rückhand? Interessant. Wie war sein Aufschlag?«
    Ich unterbrach diese extravaganten Fragen und erkundigte mich, ob Holmes zu irgendwelchen Schlüssen gelangt sei.
    »Nur zu ganz offensichtlichen«, erwiderte er, »und die müssen vorläufig warten, bis wir weitere Fakten und schließlich Beweise haben.«
    »Und wie werden die voneinander unterschieden?« fragte Freud.
    »Leider vor Gericht. Wir können zu allen erdenklichen Schlüssen kommen: Wenn es uns nicht gelingt, sie zu beweisen, war alles umsonst.« Er lachte leise und bediente sich mit dem Kognak, den er vorher abgelehnt hatte. »Sie sind sehr geschickt gewesen, verteufelt geschickt. Und wo ihre Schlauheit nicht ausreichte, da hat die Natur geholfen, indem sie uns eine Zeugin zugespielt hat, deren Aussage nicht nur unergiebig ist, sondern vor Gericht zweifellos als fragwürdig oder gar ungültig erklärt würde.«
    Er saß schweigend in Gedanken vertieft und zog an seiner Shagpfeife. Wir sahen zu und wagten nicht, ihn zu stören.
    »Ich fürchte, meine Kenntnisse der europäischen Politik sind nicht sehr profund«, seufzte er schließlich. »Können Sie mir helfen, Dr. Freud?«
    »Was wollen Sie wissen?«
    »Oh, ein paar ganz allgemeine Tatsachen. Fürst Otto von Bismarck lebt doch noch, nicht wahr?«
    »Soviel ich weiß.«
    »Aber er ist nicht mehr deutscher Kanzler?«
    Freud starrte ihn verwirrt an.
    »Natürlich nicht; seit über einem Jahr nicht mehr.«
    »Ah.« Wieder versank Holmes in tiefes Schweigen, während Freud und ich

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