Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
wahr?«
Er küsste die Lippen des Glücklichen Prinzen und fiel tot zu seinen Füßen nieder.
In diesem Moment ertönte ein merkwürdiges Krachen im Inneren der Statue, als ob etwas zerbrochen wäre. Tatsächlich war das bleierne Herz in zwei Teile zersprungen. Es war sehr kalt in diesem Winter.
Wilde hatte Moriarty den Punkt, an dem er verletzlich war, auf dem Präsentierteller dargeboten. Wie unklug von ihm. Und doch, wie berührend, fand der Detektiv.
Im Rest der Geschichte versuchte Wilde den Leser zu trösten und ließ einen Engel erscheinen, der das Herz und den Vogel in den Garten Gottes brachte.
Nur dass es solche Engel nicht gab auf Erden. Dessen war sich der Detektiv sicher. Aber hatte er nicht selbst von der goldenen Statue eines Engels geträumt, die sich anschickte, mit ihrem Schwert die gefährliche Schlange zu ihren Füßen zu töten?
Miss Burton, die kräftige Haushälterin von Wildes Freund und Lektor, dem Journalisten Robert Baldwin Ross, erinnerte Holmes an diesen Engel. Sie stellte sich ihm in den Weg und wollte ihn nicht zu ihrem Herrn vorlassen, bis dieser selbst den Detektiv aufforderte, einzutreten.
Der blasse, dickliche Mann mit dem halblangen, glatten Haar, entschuldigte sich bei Holmes: »Wir müssen vorsichtig sein. Nicht jeder, der hierher kommt, meint es gut mit uns.« Dann fügte er erklärend hinzu: »Ich habe vergessen, Mister Burton auf Ihren Besuch vorzubereiten.«
»Mister Burton?«, fragte Holmes erstaunt. »Bisher war von einer Miss Burton die Rede. Ein Umstand, der nicht unbedingt auf einen Ehemann schließen lässt.«
»Sie ist der einzige wahre Mann in diesem Haus. Daher nennen wir sie so«, erklärte Ross und bat Holmes in seine Wohn- und Arbeitsräume, die in ihrem geschmackvollen Prunk Wohlhabenheit verrieten.
Holmes sah sich um. Überall stimmungsvolle Illustrationen im Stil Audrey Beardsleys, manche davon äußerst gewagt.
»Sie kommen wegen Oscar«, bemerkte der Mann. »Wie geht es ihm?«
»Sie sollten ihn besuchen«, konterte Holmes. »Er ist Ihr Freund.«
»Er war es. Ich wurde von ihm verlassen wegen eines Jüngeren, Attraktiveren.«
»So lauten die meisten Geschichten, die Menschen für Beziehungen oder gar Liebe halten«, stellte Holmes fest.
»Ich liebte ihn und ich liebe ihn noch. Er ist ein außergewöhnlicher Mensch und ein großartiger Schriftsteller. Seine Werke werden noch aufgeführt werden, wenn es uns alle nicht mehr gibt. Seine Frau hat mir die Rechte an seinen Stücken überlassen, und ich werde mein Möglichstes tun, sie wieder in die Öffentlichkeit zu bringen.«
»Sie müssen der Frau und den Kindern helfen.«
»Das geschieht bereits.«
»Mrs. Wilde und die Kinder müssen das Land verlassen, in Sicherheit gebracht werden. Ihr Leben ist in Gefahr.«
»Woran denken Sie, Mr. Holmes?«
»Namenswechsel für Mrs. Wilde und die Kinder und eine Reise in die Schweiz, wo die Söhne in Internaten untergebracht werden. Wenn Sie finanzielle Unterstützung benötigen, kann ich etwas beisteuern.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Holmes, aber nicht nötig. Es ist genug Geld vorhanden, das von seiner Tätigkeit stammt und das ich gerne der Familie zur Verfügung stelle.«
»Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Ich kümmere mich noch heute darum. Mrs. Wilde sieht mich zwar als Rivalen in der Gunst ihres Mannes, allerdings als einen von der Gnade Gefallenen und sie redet mit mir, obwohl diese Gespräche alles andere als erfreulich verlaufen. Aber was will man mehr, ihr Verhalten ist verständlich.«
»Das sind im Augenblick Nebensächlichkeiten. Es geht um das große gemeinsame Ziel, die Frau und ihre Söhne sicher aus dem Land zu bringen und ihnen eine bescheidene Existenz zu ermöglichen.«
»Ich garantiere dafür.« Robbie Ross läutete nach seiner Haushälterin. »Kümmern Sie sich darum, dass Mrs. Wilde und ihre Söhne das Land unverzüglich verlassen.«
»Wohin geht die Reise?«, erkundigte sich die Frau.
»Schweiz, ein gutes Internat für die Kinder, Rom für die Mutter.«
»Die finanziellen Ausgaben?«
»Die begleichen Sie für mich.« Er reichte der kräftigen Frau eine prall gefüllte Brieftasche. »Was nötig ist, aber nicht mehr. Es muss für längere Zeit reichen.« Dann wandte er sich an Holmes. »Es ist und bleibt keine Heldentat. Die Unschuldigen fliehen und wir können gegen den Übeltäter nichts unternehmen.«
Holmes richtete sich auf. »Sie haben recht. Die Unterstützung von Wildes Familie ist eine
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