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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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wichtige, eine gute Tat. Aber sie allein reicht nicht. Wir müssen die Ursache für das Elend der Familie ausfindig machen und stilllegen.«
    »Stilllegen?«, wiederholt der junge Mann.
    »Ein Weg, mehr über die Hintergründe herauszufinden, ist es, mir das Manuskript von Wildes letztem Bühnenstück auszuhändigen. Es wurde abgesetzt und verschwand aus der Öffentlichkeit.«
    »Ein Meisterwerk, das aber nichts Sensationelles enthält.«
    »Sie besitzen eine Kopie, Mr. Ross?«
    »Natürlich.«
    »Bitte stellen Sie mir Ihr Exemplar zur Verfügung. Es enthält aller Wahrscheinlichkeit nach einen wesentlichen Hinweis auf die Lösung des Falles.«
    » Ernst sein ist alles ist ein amüsantes Stück, das in den ersten Tagen blendend lief, bis es zu den bekannten Komplikationen kam, die das Theater veranlassten, es abzusetzen. Es ist eine leichte, witzige Komödie, aber nicht mehr als das«, widersprach der Mann. »Es gehörte zu Oscars künstlerischem Programm, soziale oder persönliche Botschaften zu vermeiden. Sehen Sie, er schrieb darüber sogar einen Artikel.«
    Der Journalist entnahm seinem Bücherschrank ein schmales Bändchen mit der Aufschrift Intentions , dann erklärte er: »In seinem Essay Der Verfall der Lüge legt er in einem philosophisch-künstlerischen Dialog seine Absichten dar, die in der Aussage gipfeln, dass Kunst nur sich selbst erklärt, dass alles schlechte Geschreibsel von einer zu großen Nähe zu Leben und Natur herrührt, dass das sogenannte Leben die Kunst viel öfter nachahmt, als das umgekehrt der Fall ist. Und dass, um auf den Titel zurückzukommen, die Lüge, das Erzählen unwahrer Begebenheiten, der wahre Zweck der Kunst sei. Sie sehen, Mr. Holmes, versteckte Hinweise auf tatsächliche Ereignisse finden sich nicht in Oscars Werken.«
    »Wenn man sich an die Aussagen des Künstlers hält«, meinte Holmes.
    »Woran soll man sich sonst halten?«, fragte der Journalist.
    Holmes entgegnete dem mit einer Gegenfrage. »Sie sprachen von einem künstlerischen Dialog. Zwischen welchen Personen findet dieses Gespräch statt?«
    »Zwischen zwei Männern namens Cyril und Vyvyan.«
    »Erfundene Namen, nicht wahr?«
    Etwas verlegen gab Robert Ross zu: »Die Namen seiner kleinen Söhne. Aber er hat das Alter verändert.«
    »Sehen Sie. Er widerspricht sich durch die Verwendung tatsächlicher Namen selbst. Bitte erzählen Sie mir, worum es in seinem letzten Stück geht.«
    »Zwei reiche, verwöhnte Männer sind auf Abenteuer aus. Algernon Moncrieff und Ernst Worthing. Beide Herren führen ein Doppelleben. Sie geben sich als vollendete Gentlemen, solange sie sich auf dem Land aufhalten. In der Stadt verwandeln sie sich in unmoralische Lebemänner. Nach vielen grotesken Verwicklungen finden sie die passenden Frauen.«
    »Ich werde diesen Text Wort für Wort studieren«, stellte Holmes gegenüber dem Lektor fest. »Er enthält vermutlich Hinweise auf Wildes großen Gegenspieler.«
    »Wie das? Das verstehe ich nicht.«
    »Sobald es eindeutig geklärt ist, mehr darüber«, lautete Holmes' knappe Antwort, dann fragte er noch: »Was wissen Sie über die Familie Wildes? Ich meine jetzt nicht seine Frau und die Söhne, sondern die Eltern und mögliche Geschwister.«
    »Sein Vater ist tot, die Mutter und ein Bruder leben in London. Auch ihre Lage hat sich verschlechtert, seitdem Oscar sie nicht mehr unterstützen kann.«
    »Ich hätte sie gern gesprochen. Wo finde ich sie?«
    »Ich habe sie aus verständlichen Gründen nie kennengelernt, weiß aber, wo sie wohnen, weil ich ihnen hin und wieder helfe, ohne dass sie wissen, von wem die Zuwendung stammt.«
    »Sie sind ein großzügiger Mann«, bekannte Holmes.
    »Es ist Geld, das Oscar verdient hat und das ich vor dem Zugriff Queensberrys retten konnte.«
     
    Lady Wilde und ihr Sohn William lebten in der Cheltenham Terrace in Chelsea. Bevor Holmes die beiden aufsuchte, zog er sich in die Baker Street zurück. Er widmete sich der Lektüre des handgeschriebenen Textes von Wildes letztem Stück. Immer wieder hielt er im Lesen inne. Es handelte sich um nichts anderes als um ein rasantes Spiel mit den Figuren, mit der Moral und mit Worten. Männer führten ein Doppelleben, zwei Frauen wollten nur einen Mann ehelichen, der Ernst hieß.
    Und die Vergangenheit, die Sünden der Väter, verwirrten das Spiel um einige weitere Drehungen. Jack Worthing wurde als Säugling von seinem Kindermädchen Miss Prism verloren, die in ihrem unseligen Hang zur Schriftstellerei das Baby mit

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