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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Detektiv. »Nahrung ist eines der besten Mittel, um am Leben zu bleiben.«
    »Eigentlich sollte ich an der Arbeit sein«, brummte Shaw, als er sich mit uns im ›Holborn‹ niederließ und mißtrauisch die mit freimaurerischen Motiven verzierten Kacheln beäugte, mit denen das Etablissement dekoriert war. »Ich muß bis morgen zwei Artikel abgeschlossen haben, von denen ich bis jetzt noch keinen begonnen habe.« Trotz dieser Bemerkung zeigte er keinerlei Neigung, sich zu entfernen.
    »Watson«, Holmes wandte sich mir zu, die Speisekarte in der Hand. »Was halten Sie von Windsor-Suppe, Beefsteak-Pastete, Roly-Poly-Pudding und einem anständigen Bordeaux?«
    »Das klingt ausgezeichnet.«
    »Gut. Shaw, mein Bester?«
    »Natürlich nicht. Ich bin kein Fleischfresser, der eine seiner Mitkreaturen anfällt. Sie können mir einen kleinen Salat bestellen.«
    Holmes zuckte die Achseln und gab dem Kellner unsere Bestellung. Ich muß bekennen, daß es mich verdroß, meine Eß- und Trinkgewohnheiten ständig von diesem mutwilligen Menschen in Frage gestellt und getadelt zu hören. Außerdem wurde mir klar, daß der Ire – weit davon entfernt, Holmes für seine Dienste zu bezahlen – beabsichtigte, sein Mittagessen auf Kosten des großzügigen Detektivs einzunehmen.
    Wir saßen eine Weile schweigend, warteten auf unser Mahl und lauschten dem Lärm, der uns umgab: den Stimmen der zahlreichen Mittagsgäste, die das Lokal füllten, dem Geklapper der Bestecke und dem endlosen Schwingen der Türen, die zur Küche führten. Holmes widmete dem Chaos keine Aufmerksamkeit, sondern saß in Gedanken versunken da, die Augen geschlossen, das Kinn auf die Brust gesenkt. Mit seinem langen Falkenschnabel von Nase glich er ganz und gar einem schlafenden Raubvogel.
    »Nun?« fragte Shaw, der es müde war, ihn zu beobachten. »Werden Sie den Fall übernehmen?«
    Holmes saß unbeweglich, ohne die Augen zu öffnen. »Ja.«
    »Vorzüglich!« Der Ire strahlte, seine Miene verzog sich zu einem Lächeln. »Was müssen wir zuerst tun?«
    »Wir müssen essen.« Holmes öffnete seine Augen auf der Suche nach dem Kellner, der in diesem Augenblick mit einem umfangreichen Tablett erschien. Das Wort in die Tat umsetzend, weigerte er sich für die nächsten dreißig Minuten, auch nur eine Silbe zu sprechen. Er ignorierte gut gelaunt Shaws hartnäckige Fragen, schenkte aber dem hitzigen Menschen von Zeit zu Zeit ein ermutigendes Lächeln.
    Da mir seine Launen vertrauter waren als dem Kritiker, tat ich mein Bestes, um meine Spekulationen für mich zu behalten, und widmete mich meiner eigenen Mahlzeit, bis schließlich Holmes einen letzten Schluck Wein nippte, seinen Mund elegant mit der Serviette abtupfte und seine Pfeife zu stopfen begann.
    »Sie wollen doch nicht etwa rauchen!« protestierte Shaw. »Guter Himmel, Mann, sind Sie denn entschlossen, sich umzubringen?«
    »Der Fall entbehrt nicht einiger interessanter Züge«, begann mein Begleiter, als habe der andere nicht gesprochen. »Der junge Hopkins hat, wenn mich nicht alles täuscht, eine steile Karriere vor sich. Sind Ihnen irgendwelche Anhaltspunkte aufgefallen, Watson?«
    »Von der Sache mit dem Buch einmal abgesehen, muß ich zugeben, daß ich die Art und Weise nicht begreife, in der die Todesstarre eingesetzt hat«, erwiderte ich. »Normalerweise ist sie nicht im Hals und Unterleib so ausgeprägt und gleichzeitig in Fingern und Gelenken so wenig fortgeschritten.«
    »Hm.«
    »Aber was denken Sie über das Buch?« unterbrach Shaw aufgeregt. »Zweifellos kann seine Bedeutung nicht überschätzt werden. Es muß entsetzlich qualvoll für McCarthy gewesen sein, seiner habhaft zu werden.«
    »Ich unterschätze seine Bedeutung nicht, das kann ich Ihnen versichern. Ich stelle nur seinen Wert für den Augenblick in Frage. Oh, ich bin solchem Beweismaterial zuvor begegnet.« Er hob eine müde Hand. »Ein Mensch versucht in der Todesminute den Namen seines Mörders oder auch dessen Motiv zu übermitteln. Wenig vertraut, wie wir alle zur Zeit mit Jonathan McCarthy sind, ist es leider sehr unwahrscheinlich, daß es uns gelingt, dem merkwürdigen Hinweis etwas von Bedeutung zu entreißen. Was sollen wir daraus schließen? Daß er sich selbst als Mercutio sah? Als Tybalt? Daß er in eine Familienvendetta verwickelt war? Wonach suchen wir, nach einem Wort, einem Satz, einem Absatz oder einer Person? Sehen Sie?« Er warf mit einer ausdrucksvollen Geste die Hände in die Luft. »Es sagt uns nichts.«
    »Aber er muß

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