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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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selbst etwas mitteilen wollte. Es kann den Mann kaum die Laune überfallen haben, sich mit ein wenig Shakespeare die Zeit zu vertreiben, während er sich zu Tode blutete.«
    »Kaum möglich«, meinte auch Shaw. »Nicht einmal McCarthy wäre einer solchen Geste fähig gewesen.«
    »Es scheint Sie nicht weiter zu beunruhigen, was dem Verstorbenen widerfahren ist«, stellte Lestrade mißtrauisch fest.
    »Mich beunruhigt nichts als die Tatsache, daß er sich zum Schluß in Shakespeare vertieft hat. Der Mann war ein Scharlatan und eine Natter und hat sein Ende verdient.«
    »Shakespeare?« Lestrade war nun ganz perplex.
    »McCarthy.« Shaw zeigte auf die Fotografien und Skizzen. »Sehen Sie diese Inschriften an der Wand? Lügen alle miteinander, das will ich beschwören. Aus Angst entstandene Lügen.«
    »Angst wovor?«
    »Schlechten Kritiken, bösartigem Klatsch, gedruckten oder ungedruckten Skandalen. McCarthy hielt seine Ohren gespitzt. Dafür war er berüchtigt. Erinnern Sie sich an den Selbstmord von Alice Mackenzie vor etwa drei Jahren? Sie spielte die Hauptrolle in diesem Ding von Herbert Parker im Allegro . * Ihr Tod war mit aller Wahrscheinlichkeit das Resultat eines Artikels, der den Namen dieses Schurken trug.«
    Sherlock Holmes hörte nicht zu. Er fuhr fort, von uns beobachtet, den Raum einer gründlichen Inspektion von der Art zu unterziehen, wie sie nur ihm zu eigen war. Er kroch, das Vergrößerungsglas vor der Nase, auf allen vieren umher; er untersuchte die Wände, die Regale, den Schreibtisch, den Tisch, die Chaiselongue und schließlich, mit äußerster Präzision, den Leichnam selbst. Er begleitete diese Inspektionsrunde, die zehn Minuten oder etwas länger dauerte, mit einer ununterbrochenen Serie von Pfiffen, Ausrufen und Brummtönen. Einen Teil dieser Zeit verwendete er auf die Untersuchung der anderen Zimmer. Allerdings war seinem Ausdruck zu entnehmen, daß Lestrades Angaben in dieser Hinsicht korrekt waren und die Tragödie sich allein auf die Bibliothek beschränkte.
    Endlich richtete er sich mit einem Seufzer auf. »Sie müssen wirklich lernen, das Beweismaterial nicht zu berühren«, teilte er Lestrade mit. Dann wandte er sich dem jungen Wachtmeister zu.
    »Wie heißen Sie?«
    »Stanley Hopkins, Sir.«
    »Hören Sie, Hopkins, ich bin der Meinung, daß Sie es weit bringen werden * , aber das Buch hätten Sie nicht berühren dürfen. Es hätte einen entscheidenden Unterschied gemacht, wäre ich in der Lage gewesen, die Relation zwischen des Mannes Fingerspitzen und dem Buch zu sehen. Verstehen Sie?«
    »Ja, Sir. Ich werde dafür sorgen, daß so etwas nie wieder vorkommt. Keiner von uns hat den Leichnam berührt«, versicherte er in dem tapferen Versuch, sich in den Augen des Detektivs zu rehabilitieren.
    »Guter Junge. Nun, meine Herren, ich glaube, das ist wohl alles.«
    »Und was haben Sie mit all Ihrem Kriechen und Herumschleichen zutage gefördert, das ich nicht schon entdeckt hatte?« erkundigte sich Lestrade mit einem säuerlichen Grinsen.
    »Nicht sehr viel, das muß ich Ihnen zugestehen. Der Mörder ist ein Mann, Rechtshänder, besitzt hinreichende Kenntnisse der Anatomie und ist sehr kräftig, wenn auch etwas unter einssiebzig groß – an der Länge seiner Schritte errechnet. Er trug neue, kostspielige und möglicherweise von einem Laden im Strand stammende Stiefel und rauchte eine eindeutig im Ausland gefertigte und gekaufte Zigarre. Und er hat, bevor er ging, aus McCarthys Notizbuch die Seite mit seinem Namen herausgerissen. Guten Tag, Inspector Lestrade.«

KAPITEL VIER

    In Sachen Bunthorne

    Auf dem Weg nach unten begegneten wir dem Polizeiarzt, Mr. Brownlow, und seinen Leuten mit der Bahre. Holmes tauschte ein paar Worte mit diesem graubärtigen Individuum, das er vom Sehen her kannte. Dann passierten wir draußen die Polizeibarriere, und Holmes zog seine Uhr hervor.
    »Mir ist nach Mittagessen zumute«, erklärte er, während er umherschaute und die kalte, frische Luft einsog. »Watson, dies war einmal Ihr Revier, wo sollen wir essen?«
    »Da wäre das ›Holborn‹; es ist nicht weit von hier.«
    »Ausgezeichnet. Dort wollen wir uns hinbegeben. Kommen Sie mit, Shaw?« Er begann, schnellen Schrittes durch den schmutzigen Schnee zu wandern, so daß der Kritiker zu eiligen Hüpfern gezwungen wurde.
    »Wie können Sie nur an Essen denken, nach allem, was Sie gerade gesehen haben?« rief Shaw entsetzt.
    »Gerade weil ich es gesehen habe, kommt es mir in den Sinn«, erwiderte der

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