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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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anderer Meinung gewesen sein«, widersprach ich.
    »Das muß er allerdings. Oder es fiel ihm vielleicht in der Verzweiflung nichts anderes ein. Ich glaube nicht, daß er Bleistift und Papier hätte handhaben können, selbst wenn sie für ihn erreichbar gewesen wären – und sie lagen noch weiter entfernt. Andererseits wäre es wiederum möglich, daß ein spezifisches Individuum, an das die Botschaft gerichtet war, sie sofort hätte entschlüsseln können.« Er hob die Achseln.
    »Wo fangen wir also an?« fragte Shaw verwirrt. Er war dabei, seinen Bart mit den Fingern in eine ziemlich furchterregende Form zu kämmen.
    Holmes lächelte. »Dunhill’s scheint mir ein so guter Ausgangspunkt wie jeder andere.«
    »Dunhill’s?«
    »Dort kann man mir möglicherweise dabei behilflich sein, herauszufinden, woher die Zigarre des Mörders stammt. Ich werde nach dem Essen da vorbeigehen. Bis dahin, denke ich, können wir einen Anfang mit Bunthorne machen. Hat jemand eine Ahnung, wer er sein könnte?«
    »Bunthorne?« Wir starrten ihn an. Was mich betraf, so hatte ich den Namen noch nie gehört. Holmes lächelte noch breiter, dann zog er sein Notizbuch und entnahm ihm ein zerrissenes Blatt Papier.
    »Dies stammt aus McCarthys Notizbuch.«
    »Soweit ich mich entsinne, sagten Sie, sein Mörder habe die Seite mit den Verabredungen für den 28. Februar mit sich genommen.«
    »Das hat er auch getan. Aber dies ist, wie Sie sehen, die Seite für den 27. Februar, und die habe ich mitgenommen.«
    Sie enthält nur eine Eintragung«, stellte ich fest, »für sechs Uhr dreißig im Café Royal.«
    »So ist es. Und mit einer Person namens Bunthorne.«
    Shaw griff nach dem Stück Papier mit einer Grimasse, die seine Züge grotesker als gewöhnlich erscheinen ließ. Plötzlich brach er in ein amüsiertes und wissendes Gelächter aus.
    »Ich kann Ihnen sagen, wer Bunthorne ist – ich bin ziemlich sicher, daß das ganze West End es weiß, aber da Sie ausschließlich Covent Garden und die Albert Hall frequentieren, bezweifle ich stark, daß Sie eine Ahnung haben.«
    »Ist er denn berühmt, dieser Bunthorne?« fragte ich.
    Der Kritiker lachte erneut. »Sehr berühmt. Man könnte sogar sagen, berüchtigt – aber nicht unter diesem Namen. Mein verstorbener Kollege scheint sich seine Termine verschlüsselt notiert zu haben.«
    »Woher wissen Sie, wer sich hinter dem Namen Bunthorne verbirgt? Ist es ein Spitzname?«
    »Das eigentlich nicht. Aber ich glaube schon, daß er darauf hören würde.« Shaw breitete das Papier aus und attackierte es mit seinem dünnen Zeigefinger. »Es ist das Restaurant, das jeden Zweifel ausräumt. Dort ist er meist zu finden, er hält dort hof.«
    »Hält hof?« rief ich aus. »Wer, zum Teufel, ist er, der Prince of Wales?«
    »Es ist Oscar Wilde.«
    »Der Dramatiker?«
    »Das Genie.«
    »Was verbindet ihn mit diesem ›Bunthorne‹?« wollte Holmes wissen.
    Shaw lachte wieder »Was das betrifft, so müssen Sie sich – und ich vermute, das ist nicht der Fall – in den komischen Opern der Herren Gilbert und Sullivan auskennen. Gehen Sie jemals ins Savoy?«
    » Der Mikado und dergleichen?« Holmes schüttelte den Kopf und zündete seine Pfeife wieder an.
    »Dann versäumen Sie die größte Kombination von Worten und Musik seit Aristophanes, Wagner ausgenommen. Bunthorne findet sich in dem Stück Patience .«
    »Ich werde wohl die Melodien auf der Drehorgel gehört haben.«
    »Selbstverständlich haben Sie das. Jeder Leierkasten in London spielt abwechselnd sämtliche Weisen von Sullivan.« Er betrachtete Holmes mit einer Spur von Geringschätzung. »Auf was für einem Planeten leben Sie eigentlich?« verwunderte er sich. »Sind Sie wenigstens vertraut mit Onward Christian Soldiers und The lost Chord ?« Er war, wie ich sehen konnte, tief erstaunt über die Ignoranz des Detektivs, die mich nicht weiter überraschte. Sherlock Holmes hatte einmal gesagt, es sei ihm völlig gleich, ob die Erde um die Sonne kreise oder die Sonne um die Erde, vorausgesetzt, daß weder das eine noch das andere ihn bei der Arbeit störe. Von seinen eigenen speziellen musikalischen Interessen abgesehen (die sich auf Violinkonzerte und große Opern beschränkten), war von ihm auch nicht die geringste Kenntnis der Londoner Moden und Publikumserfolge zu erwarten. Er überhörte Shaws Spötteleien und fuhr mit seinen eigenen Erkundigungen fort.
    »Erzählen Sie mir über Patience «, bat er.
    »Einen Augenblick«, rief ich und rieb mir die

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