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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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zuviel verlangt, die Ouvertüre für unser Stück vor der Premiere zu erwarten, aber ich hoffe, er wird geruhen, sie für den Abend fertigzustellen. Vielleicht wird Sir Arthur sogar Zeit finden, ein- oder zweimal vor der Premiere mit den Sängern zu proben, aber ich bin nicht sicher.« Dann wandte er sich um und sprach zu den Mitgliedern des Theaters. »Hört alle her!« rief er. »Geht und eßt zu Abend! Wir werden pünktlich um acht Uhr mit Akt eins der Bratwurst-im-Schlafrock-Nummer beginnen. Geht und eßt, meine Lieben; nichts von Bedeutung hält euch hier, und ihr müßt bei Kräften bleiben!«
    Sie gingen, als hätten sie nur auf ein Stichwort gewartet, auseinander, und Gilbert streichelte hier jemandem den Kopf, sagte dort ein paar ermutigende Worte, bis wir allein waren. Obwohl er sich kurz angebunden und militärisch gab, ließ sich zweifellos eine bindende Kraft von Zuneigung und Vertrauen zwischen ihm und den Darstellern erkennen.
    »Lassen Sie mich jetzt hinein«, befahl er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Bevor ich etwas erwidern konnte, wurden wir von Schritten auf der Wendeltreppe am Ende des Flurs unterbrochen, und Carte erschien in Hast mit einem anderen Mann, dessen schwarze Tasche ihn als Angehörigen meines eigenen Berufsstandes auswies.
    Carte eilte auf uns zu und rief: »Dr. Watson, das ist Dr. Benjamin Eccles, der Arzt vom Dienst für das Savoy.« Ich tauschte einen schnellen Händedruck mit einem mittelgroßen Mann mit blasser Haut, tiefliegenden grünen Augen und einer kleinen, fein geformten Nase.
    »Ich mache meine Runde in mehreren Theatern dieser Gegend, wenn ich Arzt vom Dienst bin«, erklärte Eccles und blickte an mir vorbei auf die geschlossene Tür, »und ich war gerade ins Parkett gegangen, um mir die Probe anzuschauen, als Mr. Carte mich sah und mich nach unten bat, wo ich seiner Meinung nach möglicherweise gebraucht würde.« Er blickte uns nacheinander unsicher an, vielleicht verwirrt von der Anwesenheit eines zweiten Arztes.
    Hinter uns öffnete sich die Tür, und Holmes stand in Hemdsärmeln auf der Schwelle. Er hatte offensichtlich darauf gewartet, daß sich der Chor entfernte. Ich stellte Dr. Eccles vor, und Holmes nickte ihm kurz zu.
    »Es hat einen Mord gegeben«, verkündete er in düsterem Ton, »und nichts darf verändert werden, bis die Polizei hier gewesen ist. Watson, Sie und Dr. Eccles können eintreten. Mr. Gilbert und Mr. Carte, ich muß Sie bitten, jenseits der Schwelle zu bleiben. Es ist kein schöner Anblick«, fügte er mit unterdrückter Stimme hinzu und trat zur Seite, um mich einzulassen.
    Der Anblick hatte allerdings nicht viel für sich. Eine junge Frau mit tief rostbraunem Haar, nicht mehr als fünfundzwanzig Jahre alt, lag seitlings auf einem kleinen Sofa, das, von einem Toilettentisch und einem Stuhl abgesehen, das gesamte Meublement des Raumes darstellte. Ihr Erholungsschlaf war auf rüde Weise unterbrochen worden, und zwar durch einen scharlachroten Schnitt quer über die perlweiße Kehle, und ihr Lebensblut tropfte, ganz wie aus einem lecken Hahn, auf den Fußboden, auf dem sich eine Pfütze zu sammeln begann.
    Der Anblick war so grauenvoll, die Vernichtung ihrer Existenz so jammervoll und unangemessen erscheinend, daß wir einen Augenblick völlig sprachlos waren.
    Eccles hustete einmal und begann die bedauernswerte Kreatur zu untersuchen.
    »Ihre Kehle wurde ziemlich sauber durchschnitten«, berichtete er mit schwacher Stimme. »Sie ist ein wenig verhärtet oberhalb der Wunde. Kann die Todesstarre so schnell eingesetzt haben?« fragte er sich selbst. »In ihren Fingern ist sie nicht zu finden, und ihr Blut ist noch – noch –«
    »Sie klagte über Halsschmerzen«, erklärte ich, wobei ich ein hysterisches Verlangen unterdrücken mußte, über den Gedanken zu kichern. »Ihre Drüsen sind geschwollen.« Während ich dies sagte, verspürte ich selbst Halsschmerzen – eine abscheuliche Form des Mitgefühls.
    »Ah, das muß es sein.« Eccles sah sich in dem kleinen Zimmer um. »Ich kann keine Waffe erblicken.«
    »Es ist keine hier«, erwiderte Holmes. »Oder meine Suche hat sie nicht zum Vorschein gebracht.«
    »Aber warum, warum? Warum wurde sie ermordet?« schrie Carte von der Tür her und zerrte mit seinen kleinen Händen am Kragen seines Anzugs, bis er ihn zerrissen hatte. »Wer würde so etwas tun wollen?«
    Niemand war zu einer Antwort imstande. Ich sah Gilbert an. Er war auf eine Bank gegenüber dem Eingang gesunken und

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