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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Stimmen zu hören. »Wie oft wünschen Sie es noch zu hören, Mr. Gilbert?« rief der Darsteller, dem letztendlich der Geduldsfaden gerissen war.
    »Bis es mir richtig erscheint, Mr. Passmore.«
    »Aber ich habe es fünfzehnmal gemacht!« jammerte der Mann. »Ich bin nicht Mr. Grossmith, begreifen Sie das. Ich bin Sänger, nicht Schauspieler.«
    »Beide Tatsachen sind unverkennbar«, erwiderte Gilbert kühl. »Aber wir müssen das Beste daraus machen.«
    »Diesen Ton lasse ich mir nicht gefallen!« verkündete Passmore und zog sich von Wut geschüttelt in die Kulissen zurück. Gilbert sah ihm nach, dann heftete er seinen Blick auf den Fußboden, auf dem sich offenbar etwas befand, das einer gründlichen Studie wert war.
    Carte erhob sich. »Gilbert, Lieber, laß uns eine Pause fürs Abendessen machen.«
    Wenn der Autor es gehört hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken.
    »Meine Damen und Herren«, Carte erhob seine Stimme und schlug einen munteren Ton an. »Lassen Sie uns für zwei Stunden pausieren und unsere Energien über dem Abendessen erneuern. Wir haben in sechsunddreißig Stunden Premiere und müssen uns unsere Kräfte erhalten. Ausgelaugt«, murmelte er wieder, während die Gruppe auf der Bühne sich zu zerstreuen begann.
    »Die Garderoben sind unten?« fragte Holmes.
    »Frauen links von der Bühne, Männer rechts.« Der Impresario, der von der akuteren Krise ganz in Anspruch genommen war, winkte abwesend in Bühnenrichtung. Wir begaben uns auf den Weg, den wir gekommen waren, als plötzlich ein schauerlicher Schrei erklang. Es war ein so außergewöhnlicher Ton, daß ihn für einen Moment niemand identifizieren konnte. Der grausige Klang hallte in dem leeren Theater wider. Die im Aufbruch begriffenen Leute auf der Bühne standen sekundenlang wie versteinert vor Erstaunen und allgemeinem Entsetzen.
    »Es ist eine Frau!« schrie Holmes. »Kommen Sie, Watson!« Er fegte mit fliegenden Rockschößen vor mir her durch das Rampenlicht und in die Kulissen. Hinter der Bühne gerieten wir in ein labyrinthähnliches Durcheinander von Maschinerie, die uns den Weg zu der schmiedeeisernen Wendeltreppe versperrte, die zu den Garderobenräumen führte. Hinter uns konnten wir das Trampeln des Chors hören, der uns nacheilte. Am Fuß der Treppe führte ein Korridor nach links, und Holmes flog ihn entlang. Eine Reihe von Türen auf beiden Seiten des Flurs, von denen manche nur angelehnt waren, führten zu den Damengarderoben. Holmes stieß sie schnell eine nach der anderen auf und hielt abrupt an der fünften Tür. Mit seinem Rücken versperrte er mir den Blick.
    »Sorgen Sie dafür, daß sie draußen bleiben, Watson«, sagte er leise und schloß die Tür hinter sich.
    Innerhalb von Sekunden hatte sich eine Gruppe von etwa dreißig Mitgliedern des Savoy um mich versammelt, die alle aufgeregte Fragen stellten. Mir kam der ironische Gedanke, daß sie sich anhörten wie sie selbst – das heißt, wie ein Chor von Savoyarden, der singt: ›Was geht hier vor, was kann es sein, warum ist Vater aufgewacht, zu dieser Stunde in der Nacht, und halbbekleidet obendrein?‹ Plötzlich trat Gilbert in ihre Mitte, wobei er sie mit Gewalt beiseite schob, als teile er das Rote Meer. Seine Bartkoteletten sträubten sich, seine blauen Augen waren hellwach.
    »Was geht hier vor?«
    »Sherlock Holmes ist dabei, das herauszufinden«, ich wies hinter mich auf die geschlossene Tür. Die großen blauen Augen blickten auf die Tür, dann richteten sie sich wieder auf mich.
    »Holmes, der Detektiv?«
    »So ist es. Ich bin Dr. Watson. Ich helfe Holmes gelegentlich aus. Die Frau, deren Schrei wir hörten, war wohl Miss Rutland«, fuhr ich fort, »sie klagte über Unwohlsein, und Sie schickten sie nach unten, sich auszuruhen.«
    »Ich kann mich dunkel an so etwas entsinnen.« Er fuhr sich mit müder Hand über die breite Stirn. »Es war ein anstrengender Tag.«
    »Kennen Sie Miss Rutland gut, Sir?«
    Er beantwortete die Frage automatisch, zu abgelenkt, um sich gegen mein vorlautes Benehmen zu verwahren. »Ob ich sie kenne? Eigentlich nicht. Sie ist im Chor, und ich stelle keine Chormitglieder ein.« Sein Ton enthielt eine Spur unverhohlener Bitterkeit. »Sir Arthur stellt die Sänger ein. Sir Arthur ist zur Zeit nicht hier, wie Sie möglicherweise bereits bemerkt haben. Sir Arthur spielt entweder Karten mit einem seiner adligen Freunde, oder er ist im Lyceum, wo er seine Talente an eine Begleitmusik für Irvings neuen Macbeth vergeudet. Es wäre

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