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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Figuren aus Ihren Opern anstelle wirklicher Namen einzusetzen. In der Nacht, in der er starb, hatte er eine Verabredung mit Jack Point. Point ist der unselige Narr in Yeomen of the Guard , der seine Liebste verliert, nicht wahr?«
    »Das ist er, das ist er!« Sullivan war von der Vertrautheit des Detektivs mit seinen Werken beeindruckt. »Sie glauben also, Jessie hatte noch einen Liebhaber?«
    »Das haben Sie mir mehr oder weniger schon bestätigt, Sir Arthur.«
    Sullivan runzelte die Stirn, griff in seine Brusttasche und zog ein Zigarettenetui hervor. Er entnahm ihm eine Zigarette, klopfte mit ihr mehrere Male nervös auf den Behälter und ließ sich dann von Holmes Feuer geben. Er warf erleichtert den Kopf zurück und blies eine Rauchwolke von sich. »Sie müssen zunächst einmal verstehen, daß das Savoy fest in Gilberts Händen ist. Er leitet es wie einen militärischen Vorposten, mit der strengsten Disziplin auf und hinter der Bühne. Sie haben vielleicht bemerkt, daß die Garderoben für Männer und Frauen durch die Bühne voneinander getrennt sind. Es ist ihnen strengstens untersagt, miteinander zu verkehren. Das Benehmen der Darsteller im Theater – und zu einem gewissen Grade auch nach der Arbeit – muß sich Gilberts Manie für Schicklichkeit anpassen.
    Sollte seine Einstellung Ihnen als etwas extrem erscheinen, dann lassen Sie mich sagen, daß ich seine Ziele verstehe und mit ihnen sympathisiere. Schauspielerinnen haben nie einen guten Ruf gehabt. Das Wort selbst ist jahrelang ein Synonym für etwas sehr viel Niedrigeres gewesen. Mr. Gilbert will, was das Savoy angeht, dieses spezifische Synonym ausmerzen. Seine Methoden mögen zuzeiten streng bis zum Lachhaften erscheinen, und« – er zögerte und streifte die Asche von seiner Zigarette, – »der eine oder andere wird darunter leiden, aber ich glaube, daß er auf die Dauer gesehen dem Berufsstand einen Dienst erweisen wird.
    Nun zu Jessie Rutland. Ich engagierte sie vor drei Jahren und habe nie Anlaß gehabt, meine Entscheidung zu bedauern. Ich wußte, daß sie Waise und in Woking aufgewachsen war und daß sie in verschiedenen Kirchenchören gesungen hatte. Sie besaß keine Familie und kein Einkommen. Eine Anstellung im Savoy bedeutete ihr alles. Zum erstenmal in ihrem Leben hatte sie nicht nur ein ordentliches Gehalt, sondern ein Zuhause, eine Familie, einen Ort, zu dem sie gehörte, und sie war dankbar dafür.« Er hielt inne, für den Augenblick überwältigt von einer Qual, die physischen oder seelischen Ursprungs sein mochte – welches von beiden, war unmöglich zu sagen.
    »Fahren Sie fort«, gebot Holmes. Seine Augen waren geschlossen und seine Fingerspitzen unter dem Kinn zusammengepreßt – die Haltung, die er beim Zuhören immer einnahm.
    »Sie war ein gutes Kind, sehr hübsch, mit einem reizenden Sopran – ein wenig rauh in den mittleren Lagen, aber das hätte sich mit Zeit und Übung gebessert. Sie arbeitete hart und war voll guten Willens, immer bereit zu tun, was von ihr verlangt wurde.
    Mein Kontakt mit dem Theater ist im allgemeinen sehr lose. Ich lasse die Sänger probesingen und stelle sie ein, und sowie ich eine Melodie geschrieben habe, spiele ich sie Chor und Solisten solange vor, bis sie sitzt. Und ich dirigiere die erste Aufführung, wenn ich kann.« Er lächelte grimmig. »Mr. Grossmith ist nicht der einzige, der Drogen braucht, um den Abend zu überstehen.«
    »Mir sind sie auch nicht fremd, Sir Arthur. Bitte fahren Sie fort.«
    »Normalerweise probt Mr. Cellier mit Chor und Solisten. Ich war deshalb überrascht, als Jessie mich vor einigen Wochen nach einer Probe, in der ich neues Material eingeübt hatte, um eine private Unterredung bat, da sie einen Rat brauche. Sie war offensichtlich bekümmert, und ich stellte bei näherem Hinsehen fest, daß sie geweint hatte.
    Mein erster Impuls war, sie an Gilbert zu verweisen. Er ist viel beliebter bei den Mitgliedern des Ensembles als ich« – er sagte dies mit einem sehnsüchtigen Blick –, »denn obwohl er sie manchmal tyrannisiert und den Zuchtmeister spielt, wissen sie doch, daß er sie liebt und ihr Bestes will, während ich vergleichsweise ein Außenstehender bin. Als ich ihr den Vorschlag machte, begann sie jedoch zu weinen und behauptete, das sei unmöglich.
    ›Wenn ich mich Mr. Gilbert anvertraue, bin ich verloren!‹ rief sie. ›Ich werde meine Stelle verlieren, und ihm wird es auch schaden!« Der Komponist seufzte und wischte sich ein nicht vorhandenes

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