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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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bewundern.«
    »Was ist das Clubzimmer?« erkundigte ich mich, als wir durch eine Seitentür die verworrene Welt hinter der Bühne betraten. Überall waren hämmernde und sägende Schreiner, deren laut geschriene Anordnungen uns zwangen, unsere Stimmen zu erheben.
    »Ah, es ist Irvings ganzer Stolz. Samuel Arnold * , der Komponist, der das erste Lyzeum – vor diesem hier – baute, hat es vor Jahren für seine ›Sublime Society of Beefsteaks‹ angefügt. Sheridan war Mitglied, wissen Sie! Und Irving hat es restaurieren lassen. Es gehört eine Küche dazu, und er liebt es, nach einer Aufführung Gäste zu bewirten und sich zu entspannen. Hier sind wir.« Sie hielt vor einer Tür an, die in den rückwärtigen Teil des Gebäudes führte. »Mir ist, als sei ich Mr. Stoker schon einmal begegnet«, bemerkte Holmes beiläufig. »Wohnt er nicht in Soho?«
    Ellen Terry fuhr herum und legte hastig den Finger auf den Mund.
    »Pst! Oh, bitte, bitte , Sie dürfen davon dort drinnen nichts erwähnen! Es war solch eine heikle Sache, als es das erste Mal vorkam! Ich glaube nicht, daß Irving ihm je vergeben hat, und es ist Jahre her.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Ist er –?«
    »Pst, ich flehe Sie an, Mr. Holmes!« Sie lehnte ihren Kopf gegen die Tür und lauschte intensiv, dann bedeutete sie uns mit einem Schmunzeln, desgleichen zu tun. Sie hatte trotz ihres vorgeschrittenen Alters den Charakter und die Energie eines jungen Mädchens. Auf ihr Geheiß lehnten wir ebenfalls unsere Köpfe an die Tür.
    »Nein, nein, nein, mein lieber Freund!« erklang eine ungewöhnlich tiefe, sehr nasale Stimme. »Musikalisch ist es sicher ausgezeichnet, aber für unsere Zwecke eignet es sich nicht. Paß auf! Ich sehe die Degen, und ich will, daß das Publikum sie hört.«
    »Aber Henry, wie hören sich Degen an?« erwiderte eine hohe, etwas weinerliche Stimme.
    »Wie sie sich anhören? So –«, und dann vernahmen wir die ausgefallenste Folge von Gegrunze und Geknurre, das sich abwechselnd wie rostige Türangeln und wie ein Bienenkorb anhörte.
    »O ja, ja! Ich verstehe, was du meinst! Das ist besser!« rief die hohe quäkende Stimme aus. »Ja, ich glaube, das läßt sich machen.«
    »Gut.«
    Miss Terry, die sich lange genug amüsiert hatte, klopfte energisch an die Tür und öffnete, ohne auf eine Antwort zu warten.
    »Es tut mir so leid, euch zu stören, meine Lieben«, sagte sie in geschäftlich-sachlichem Ton, »aber hier sind die beiden Herren, die Sir Arthur sehen wollen.« Was für eine Schauspielerin sie war!
    Das geräumige Gemach, in das wir eingelassen wurden, schien in der Tat der ideale Zufluchtsort nach einer anstrengenden Aufführung. Es wurde zum großen Teil von einem langen Eichentisch eingenommen, an dem dreißig Personen sich leicht für ein, zwei Stunden mit mehreren Flaschen und kaltem Geflügel vergnügen konnten.
    Am entfernten Ende des Tisches, unter Portraits von David Garrick und Edmund Kean, saßen zwei einsame Gestalten beieinander wie Verschwörer, die beim Schmieden eines anarchistischen Komplotts unterbrochen worden waren.
    Der größere der beiden war ein melancholischer Mann von Ende Fünfzig, mit hohlen Wangen, langem grauen Haar, durchdringenden Augen von unbestimmter Farbe und beflissenem und ernsthaftem Gebaren. Er erhob sich höflich und verneigte sich bei unserem Eintreten. Um die Schultern trug er eine sorgfältig drapierte, schwere dunkelbraune Pelerine, die seiner distinguierten Erscheinung einen angemessenen theatralischen Anstrich verlieh.
    Sir Arthur Sullivan erhob sich ebenfalls. Er war bei weitem nicht so groß wie Henry Irving, auch war seine Kleidung weniger dramatisch. Er trug seinen teuren Anzug mit Selbstverständlichkeit, ganz wie jemand, der an exquisite Dinge gewöhnt ist, und war, wenn auch ein wenig rundlich, von gutem, dunklem und leicht jüdischem Aussehen. Seine melancholischen Augen waren glänzend braun und erinnerten mich, während sie kurzsichtig durch das Pincenez auf seiner Nase starrten, stark an die einer Kuh. Er trug wie Gilbert einen langen Backenbart, der nach meiner Meinung dazu diente, ihn älter erscheinen zu lassen, als er war. Er hielt während unserer Konversation die rechte Hand in einem unnatürlichen Winkel gegen seinen Magen gepreßt. Alles in allem waren sein Gesicht und seine Haltung die eines kränkelnden Mannes.
    »Meine Herren«, sagte Irving in seinem eigentümlichen nasalen Ton, »entschuldigen Sie, daß wir Sie haben warten lassen.«
    »Entschuldigen

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