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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Himmel!« rief ich aus und fuhr mir mit der Hand über die Stirn. »Das ist lasterhaft!«
    »Und dies.« Er legte mir eine andere Seite vor.

    »… Und du bist jetzt Fleisch von meinem Fleisch, Blut von meinem Blut, du bist mein; meine Weinpresse, die für eine Weile reichlich gibt.« Dann öffnete er mit seinen langen scharfen Nägeln das Hemd und legte eine Ader bloß. Als das Blut herauszuquellen begann, nahm er meine Hände in die eine Hand, packte mit der anderen meinen Nacken und preßte meinen Mund an die Wunde, so daß ich entweder ersticken oder etwas von dem – oh, mein Gott, was habe ich getan?
    »Holmes, was für ein wahnwitziges Werk ist das?«
    »Kein Wunder, daß er im geheimen schreibt«, bemerkte der Detektiv und schaute zu mir auf. »Ist Ihnen noch etwas anderes aufgefallen?«
    »Was meinen Sie?«
    »Nur, daß unser Mr. Stoker weiß, wie man jemanden zum Schlucken zwingt.« Ich überflog die beiden Absätze noch einmal, und wir starrten einander entsetzt an.
    »Sollte man uns gezwungen haben, Blut zu trinken?« flüsterte ich schreckerfüllt.
    Bevor er antworten konnte, vernahmen wir beide das Getrappel von Pferdehufen in der Straße.
    »Es ist noch zu früh für die Droschke«, stellte Holmes fest, indem er die Blendlaterne schloß und den Raum in Finsternis hüllte. Er lugte durch die Fensterläden auf die Straße. »Großer Gott! Er ist es!«
    »Der Droschkenkutscher?«
    »Stoker!

KAPITEL DREIZEHN

    Der verschwundene Polizist

    »Schnell, Watson.« Holmes raffte in aller Geschwindigkeit die Papiere zusammen und legte sie in die Schubladen zurück, denen er sie entnommen hatte. Während in der Stille die Droschkentür zuschlug, eilte er zum Eingang und verschloß ihn von innen.
    »Aber, Holmes –«
    »Der Balkon, Mensch! Schnell!«
    In kürzerer Zeit, als ich brauche, um es niederzuschreiben, stießen wir das Fenster auf und erklommen den schmalen Vorsprung, wobei wir die Läden hinter uns schlossen, während Stokers schwere Schritte auf der Treppe zu vernehmen waren.
    »Schauen Sie nicht nach unten«, war die letzte Anweisung meines Freundes, als wir uns an die Mauer preßten und der Dinge harrten, die da kommen sollten.
    Wir brauchten nicht lange zu warten. Sekunden, nachdem wir unsere nicht allzu sichere Position eingenommen hatten, öffnete sich die Wohnungstür, und Stoker trat ein. Er verschloß die Tür hinter sich und begab sich zum Schreibtisch, drehte das Gas an und zog die Schubladen auf. Er entnahm ihnen Schreibzeug, frisches Papier und das bereits Geschriebene, das er zu ordnen begann, ohne irgend etwas von unserem Eindringen zu merken. Dann ließ er sich ohne weitere Verzögerung nieder, um an seinem abscheulichen Manuskript zu arbeiten.
    Wie lange wir, an den Fensterrahmen geklammert, auf dem schmalen Sims standen, ist schwer zu sagen. Der Mond war aufgegangen, und wir fühlten uns wie unter einer Lampe aufgespießte Insekten. Wir wagten nicht, uns zu regen, denn wir waren unserem heimlichen Romanschriftsteller so nahe, daß das geringste Geräusch seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Während die Zeit verrann und wir den Himmel um die Rückkehr unserer Droschke anflehten, fingen unsere Hände an, trotz der Handschuhe empfindungslos zu werden. Die Stille um uns wurde nur von einem gelegentlichen Husten im Zimmer unterbrochen.
    Nach einem Zeitraum, der uns wie ein Jahr erschien, wurde das Schweigen plötzlich vom Klang sich nähernder Pferdehufe zerrissen. Holmes und ich tauschten Blicke, und er gab mir ein Zeichen, unter dem Fensterladen hindurchzuschauen. Ich konnte den Autor auch erspähen; er saß, taub gegen alles, was außerhalb seiner eigenen perversen Welt vorging, über seine Erzählungen gebeugt. Ich ließ Holmes durch ein Blinzeln wissen, daß die Luft rein war, und er gab mir mit einigen Gesten seiner freien Hand zu verstehen, daß wir auf das Dach der Droschke springen mußten, wenn sie unter uns anhielt.
    Der bemitleidenswerte Kutscher bog in die Straße ein und sah sich nervös um. Holmes signalisierte ihm von unserem luftigen Versteck aus und winkte ihn heran, wobei er ihm mit einem dramatisch wirkenden Finger an den Lippen Schweigen gebot. Der Mann schien wie vom Donner gerührt, als er uns sozusagen vom Mond herabhängen sah, ging aber auf die Gebärden des Detektivs ein und brachte die Kutsche langsam vorwärts. Nachdem er sie an die richtige Stelle rangiert hatte, ließen wir uns vorsichtig und so geräuschlos wie möglich auf das Dach hinunter.
    Als wir

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