Sherlock Holmes und die Theatermorde
was ist das?«
Er hatte vornübergebeugt gesprochen, beinahe den Boden berührend, den er Zentimeter für Zentimeter untersuchte. Jetzt ließ er sich, gleich unterhalb der Labortür, wieder auf die Knie nieder. Als er sich aufrichtete, hielt er vorsichtig etwas in der rechten Hand hoch. »Die Schlinge um Achmet Singhs Hals beginnt sich zu lockern, wenn ich mich nicht sehr täusche.«
»Wieso?« fragte Shaw und trat vor.
»Wenn die Anklage unterstellt, daß der Parse diese indischen Stumpen rauchte, dann wird es ihr Schwerfallen, das Vorhandensein dieses Überrests vor dem Leichenhaus zu erklären, während Singh selbst in einer speziell bewachten Einzelzelle in Whitehall sitzt.«
»Sind Sie sicher, daß es sich um die gleiche Zigarre handelt?« fragte ich behutsam. Ich wollte seine Fähigkeiten nicht anzweifeln, fand es aber um des Häftlings willen notwendig.
»Ganz sicher«, erwiderte er, ohne Anstoß zu nehmen. »Ich habe mein Bestes getan, sie zu erkennen, sollte ich sie jemals wiedersehen. Sie ist, wie Sie sehen können, sehr gut erhalten. Beachten Sie die auffallend viereckig geformten Enden. Unser Mann hat sie einfach beiseite geworfen, als der andere ihm die Labortür öffnete.«
»Der andere?«
Holmes drehte sich zu Hopkins um. »Ich nehme an, daß Mr. Brownslow keine indischen Zigarren rauchte?«
»Nein, Sir«, erwiderte der junge Mann. »Soviel ich weiß, rauchte er überhaupt nicht.«
»Ausgezeichnet. Dann war ein anderer Mann hier, und es ist dieser andere Mann, um den es uns geht. Brownslow führte keine Selbstgespräche, sondern unterhielt sich mit unserem Verdächtigen.«
»Und Mr. Brownslow?« fragte Hopkins, dessen redliches Gesicht seine Verblüffung offenbarte.
»Hopkins –«, der Detektiv legte ihm die Hand auf die Schulter –, »es ist Zeit, daß wir uns trennen. Je weiter die Nacht vorschreitet, desto verfänglicher wird Ihre Lage. Folgen Sie meinem Rat, gehen Sie nach Hause und gönnen Sie sich eine gute Nachtruhe. Sagen Sie niemandem etwas von dem, was Sie heute nacht hier gesehen und gehört haben, und ich werde meinerseits versuchen, Ihren Namen aus der Sache herauszulassen – es sei denn, Achmet Singh steht am Fuße des Galgens. In diesem Fall bliebe mir nichts anderes übrig, als drastische Schritte zu unternehmen.«
Hopkins zögerte, zwischen seiner Neugier und seinem Pflichtgefühl hin- und hergerissen. »Werden Sie mir wenigstens sagen, was Sie herausgefunden haben?« bat er.
»Ich fürchte, daß ich das nicht versprechen kann.«
Der Wachtmeister verweilte noch etwas und zog sich dann mit deutlichem Widerwillen zurück. Die Loyalität gegenüber seinen Vorgesetzten überwog seine persönliche Neigung.
»Ein heller Junge«, bemerkte Holmes, nachdem er gegangen war. »Und jetzt, Watson, zählt jede Minute. Kennen Sie jemanden, der uns über Tropenkrankheiten informieren könnte?«
»Tropenkrankheiten?« rief Shaw aus, aber Holmes bedeutete ihm zu schweigen und wartete auf meine Antwort.
»Ainstree * gilt allgemein als größte lebende Autorität in diesem Feld«, erwiderte ich, »aber er ist, wenn ich mich nicht irre, zur Zeit auf den Karibischen Inseln.«
»Was hat all dies mit Tropenkrankheiten zu tun?« verlangte Shaw mit erhobener Stimme zu wissen.
»Lassen Sie uns zur Droschke zurückgehen, und ich werde es erklären. Aber seien Sie so gut, Ihre Stimme zu dämpfen.«
»Ich glaube, wir sollten Dr. Moore Agar in Harley Street aufsuchen«, fuhr er fort, als wir die Droschke erreicht hatten. »Sie haben ihn mir wiederholt empfohlen, Watson, wenn ich an Überarbeitung und Erschöpfung litt.«
»Ich rechnete nicht damit, daß Sie ihn nach ein Uhr morgens zu Rate ziehen würden«, ließ ich ihn wissen. »Außerdem ist der Mann kein Spezialist für Tropenkrankheiten.«
»Nein, aber er wird uns vielleicht einen namhaften Experten nennen können.«
»In Gottes Namen«, explodierte Shaw, während die Droschke in Richtung Harley Street davonratterte, »Sie haben immer noch nicht erklärt, warum wir einen Spezialisten für Tropenkrankheiten brauchen!«
»Verzeihen Sie mir, aber ich beabsichtige, völlige Klarheit zu schaffen, bevor die Nacht vorüber ist. Im Moment kann ich nur sagen, daß Jonathan McCarthy und Miss Jessie Rutland nicht getötet wurden, um sie am Leben zu hindern, sondern um ihnen einen grausameren und gefährlicheren Tod zu ersparen.«
»Wie kann ein Tod gefährlicher sein als ein anderer?« spöttelte Shaw im dunklen Wageninnern.
»Sehr einfach.
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