Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)
Türklappe geöffnet hatte. Der Wagen war eigentlich nur für zwei Fahrgäste vorgesehen, aber ein dritter fand gerade noch Platz.
»Es war nicht leicht, aber es ist mir gelungen: Wir werden nicht allein in der Dunkelheit sein«, berichtete er, während sie Richtung East End preschten. »Sie wollten mich einsperren, weil sie mich für verrückt hielten, aber nachdem Gregson und Lestrade von Ihrer Beteiligung erfahren hatten, setzten sie sich für mich ein und damit ihre Karrieren aufs Spiel. Sie sind sich dessen vielleicht nicht bewusst, Mister Holmes, doch es gibt kaum jemanden bei Scotland Yard, der Ihnen nicht den allergrößten Respekt zollt, und ich selbst bin mittlerweile stolz darauf, dies ebenfalls zu tun.«
»Vielen Dank, Inspektor Kent. Wie viele Männer?«
»Mehrere Dutzend. Sie steigen durch sämtliche mannsgroßen Kanalöffnungen im Umkreis einer halben Meile um Spitalfields hinab. Alle sind schwer bewaffnet, wobei niemand weiß, wen oder was sie eigentlich jagen. Sie haben nur gehört, es wimmle dort unten von gefährlichen Geschöpfen.«
»Mehr müssen sie auch nicht erfahren«, meinte der Detektiv. »Was sie dort vorfinden, wird ihnen Albträume genug bescheren. Da Pinkerton uns ebenfalls unter die Arme greift, was gerade dann von Nutzen sein wird, wenn es zu Zweikämpfen kommt, weil die Amerikaner in solchen Dingen einfach mehr Erfahrung haben, sollten wir durchaus reelle Chancen gegen jede Bande von Morlocks haben. Vielleicht gelingt es uns auch, Gefangene zu befreien, die ihnen noch nicht zum Opfer gefallen sind.«
Kent schauderte. »Hegen Sie überhaupt noch Hoffnung für den jungen Dunning?«
»Leider kaum«, gab Holmes zu.
Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit fuhren sie entlang der Themse weiter und bogen nicht eher vom Ufer ab, bis sie die hoch aufragende Tower Bridge sahen, die sich noch im Bau befand. Die beiden Türme waren bereits an einigen Punkten im oberen Bereich miteinander verbunden, wohingegen das Hydrauliksystem, mit welchem man die beiden Baskülen heben und senken konnte, noch nicht hinter der gotische Außenfassade steckte. Wie Wachtürme erhoben sich die beiden Bauten über den nebelverhangenen Fluss. Im Dämmerlicht blieben sie nur vage sichtbar, weil allein die Fahrtleuchten des gerade erst in die Gänge kommenden Schiffsverkehrs, viele Boote hatten noch gar nicht abgelegt, sie anstrahlten.
Als sie sich ihrem Ziel von Süden her näherten, ließ Holmes den Kutscher anhalten, und die drei Männer konnten sich endlich aus dem engen Hansom schälen. Sie befanden sich nun im Herzen von Stepney Borough. Von Houndsditch schlugen sie sich über die Bishopsgate nach Norden aus Whitechapel Parish hinaus, um nach Spitalfields zu gelangen, wo schon zu Zeiten der hugenottischen Einwanderungswelle im Zuge des Widerrufs des Edikts von Nantes der Seidenhandel aufgeblüht war. Von dort stammte auch der berüchtigte Astrologe Nicolas Culpepper, in dessen Unterschlupf am Red Lion Square sich während der Amtszeit des tragischen Regenten Charles I. absonderliche Vorfälle ereignet haben mussten. Fernab sahen sie den prachtvollen Turm der Gemeindekirche, der über zweihundert Fuß hoch war. Bis zum großen Markt, schon seit dreihundert Jahren eine Institution, war es nicht mehr weit. Dort konnte man alle Arten von Stoffen neben anderen Waren erstehen und die Vogelliebhaber Londons dabei beobachten, wie sie um besonders hübsch gefiederte Tiere mit auserlesenen Singstimmen feilschten.
Weiterhin führte ihr Weg über die Petticoat Lane hinunter zur Widegate Street und schließlich über Sandy's Run in die Frying Pan Alley, eine eher glanzlose Straße mit Häuserreihen, deren Fronten sich gegenseitig an Hässlichkeit überboten. Salpeter und Ruß hatten ihnen arg zugesetzt, während die Fenster entweder zerbrochen oder vernagelt waren. Die Haustüren wirkten so schmal, dass man wohl nur mit einem Seitwärtsschritt eintreten konnte, wenngleich die in der Enge hausenden Bewohner kaum zum Besuch einluden. Nur drei der Gebäude standen leer, doch in einem Eingang kauerte eine Frau, die die Männer aus dem Dunkeln heraus beobachtete. Ihr schwelender Blick, der leidvolle Ausdruck ihrer Armut, ruhte mürrisch auf ihnen. Sie mochte die vierzig überschritten haben, streckte aber einem kümmerlichen Säugling die nackte Brust entgegen. Die Männer spürten ihre Feindseligkeit sowie die Augen weiterer Beobachter, die sich hinter den düsteren Fenstern versteckten.
»Oh Gott!«, keuchte Kent, und
Weitere Kostenlose Bücher