Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
Eliza?«
Eliza nickte ernst.
»Auf jeden Fall begannen Sie, Mr. Karpathy, die Idee in die Tat umzusetzen. Ihnen war klar, dass man nach Eliza suchen oder sie womöglich bei Ihnen sehen würde. Außerdem wollten Sie keinesfalls in die ganze Sache verwickelt werden. Deshalb dachten Sie sich eine Tarnung für Eliza aus. Sie glaubten, mich mit einem Paar Sklerallinsen, einer Brille und einigen Chemikalien hinters Licht führen zu können. Charlie und seine Freunde fanden die leeren Phiolen in Ihrem Mülleimer, Karpathy. Darin waren Chemikalien, die man zum Haarefärben braucht. Sie machten Elizas rote Haare dunkel, und mittels der Sklerallinsen und der Brille veränderten Sie ihr Aussehen bis zur Unkenntlichkeit. Ihre Größe wurde mit Plateausohlen nach oben korrigiert.
Aus Eliza Doolittle wurde so äußerlich Erzsébet Karpathy. Für Uneingeweihte musste es sich um zwei verschiedene Personen handeln. Um das Bild aber noch vollständiger erscheinen zu lassen, studierten Sie mit Eliza einen kleinen Wortwechsel auf Ungarisch ein. Kompliment! Es klang wirklich überzeugend! Dumm nur, dass sie nicht mehr als diese wenigen Sätze beherrschte! In einer neuen Situation stand ihr keine Alternative zur Verfügung.
Als Dr. Watson und ich hier ein wenig orientalische Unruhe stifteten, geriet sie in Verwirrung. Aber sie reagierte mit großer Geistesgegenwart und wiederholte einfach, was sie schon einmal gesagt hatte. Weniger kundigen Zuhörern wäre diese kluge Improvisation vielleicht gar nicht aufgefallen. Wo hatten Sie eigentlich die Linsen so schnell her?«
»Gebraucht. Von einem befreundeten Arzt, einem Landsmann! Ich habe sie jedes Mal in Pálinka gereinigt. Genau wie er es empfohlen hatte! Eine Koryphäe auf seinem Gebiet!«
»Darf ich noch erfahren, warum Sie eine Nacht bei Ihrem Vater verbrachten, Eliza?«
»Ich hatte Streit mit Zoltan. Wegen der einhundert Pfund. Er wollte unbedingt zweihundert Pfund fordern und die Hälfte behalten. Das wollte ich nicht!«
»Zweihundert Pfund oder besser noch mehr wären glaubwürdiger gewesen. Kein Erpresser verlangt eine solch geringe Summe für ein Menschenleben. Das war ein Fehler. Nun, wie auch immer. Sie verließen nach dem Streit das Haus und suchten Trost und Unterstützung bei Ihrem Vater?«
»Was hätten Sie denn getan? Aber meine Stiefmutter wollte mich nicht in der Wohnung haben. Eine Nacht habe ich im Sessel geschlafen. Am Morgen kehrte ich zu Zoltan zurück und überredete ihn, nur einhundert Pfund zu fordern. Er ließ sich erst nach stundenlangen Diskussionen darauf ein.«
»Darf auch ich Sie etwas fragen, Miss Doolittle?« Mir fehlte noch eine Information für meine Aufzeichnungen.
In Erwartung der Frage blickte sie mich an. »Woher wussten Sie vom Tod Ihres Vaters?«
»Als ich ihn besuchte, hatte er bereits leichtes Fieber und klagte über steife Glieder. Ich schickte ein paar Tage später Maggy, das Hausmädchen, heimlich zu ihm. Sie sollte sich nach seinem Befinden erkundigen. Da war er aber leider gerade gestorben. Jetzt habe ich niemanden mehr!« Tränen begannen wieder, ihre Augen zu füllen.
Holmes machte das gar nichts aus. Er nickte befriedigt. »Nun, ich erklärte bereits, dass ich Fälle wie diese normalerweise nicht zu übernehmen pflege. Mr. Karpathy machte ihn jedoch zu etwas ganz Besonderem. Er ist zwar maßlos eitel, aber auch gewitzt. Ich wusste, es würde schwierig sein, ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Also nahm ich mir vor, ihn durch das Erzeugen größtmöglicher Konfusion in die Enge zu treiben. Daher auch meine kleine Verkleidungsposse als Murat Skanderbekow nebst Diener, die, wie ich ohne Eigenlob feststellen darf, sehr gelungen war und vollkommen ihren Zweck erfüllt hat.«
Holmes lauschte einen Moment vergnügt den eigenen Worten nach. »Aber vorher galt es natürlich, alle erforderlichen Beweise in die Hand zu bekommen. Der Zettel in Professor Higgins' Buch und die erste Mitteilung des Erpressers verwiesen auf einen Ungarn. Die Buchstaben, aus denen er seine Forderungen zusammengeklebt hatte, stammten aus einem ungarischen Buch.«
Als Holmes ihn scharf anblickte, bestätigte Karpathy dies durch ein Kopfnicken.
»Unschätzbare Hilfe wurde mir von meinem kleinen Helfer Charles Spencer Chaplin und seinen Freunden zuteil. Sie fanden die Chemikalien zum Haarefärben und observierten die Beerdigung von Alfred Doolittle. Alle möglichen Leute waren dort, unter anderem seine Witwe, die ihre Tränen mit einer halben Zwiebel
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