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Sherry Thomas

Sherry Thomas

Titel: Sherry Thomas
Autoren: Eine fast perfekte Ehe
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einem Jahr könntest du Lady Philippa Stuart sein.«
    Weshalb fühlte sie sich jetzt
eigentlich so überrumpelt? Sie empfand nichts außer Schmerz, als ob sie all
diese Wochen nur darauf gewartet hätte, dass er zurückkehrte und verlangte,
dass sie für immer bei ihm blieb, schwor, sie nie wieder gehen zu lassen.
    Er setzte sich neben sie, zu nah,
die Kammwolle seiner Hose schloss dabei unbekümmert Bekanntschaft mit den
Falten ihres Kleides. Sein Hemd roch sauber nach Wäschestärke und seiner Seife
mit Kräutern und Zitrone. Ein kleiner Teil von Gigi wäre gern abgerückt. Der
Rest allerdings wünschte sich, er würde ihr noch näher kommen, sie nach unten
drücken und dann mit ihr tun, was ihm gerade gefiel ...
    Doch er machte noch etwas viel
Schockierenderes. Er nahm nämlich einfach nur ihre Hand und erklärte: »Ich war
schon ein richtiger Hundesohn, nicht wahr? Tauche plötzlich hier auf und bringe
dich in eine unmögliche Situation.«
    Gedankenverloren spielte er mit
ihren Fingern. Seine Hand war kühl, als ob er sie gerade gewaschen und abgetrocknet
hätte. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass er mit diesen Händen nicht
nur hervorragend Klavier spielen und zeichnen konnte ...
    Am liebsten hätte sie seine Hand
geküsst, jede Fingerspitze, jeden Knöchel, und dann an der Daumenspitze gesaugt.
    Wenn sie doch nur schwanger geworden
wäre. Wenn, wenn, wenn ...
    Gigi hatte es sich weiß Gott
verzweifelt gewünscht. Nimmermüde darum gebetet, es sich erträumt, ersehnt! Es
wäre ein Geschenk des Schicksals gewesen, eine Entscheidung des Himmels,
danach hätte es keinerlei Fragen mehr gegeben, was nun zu tun war.
    Doch es war nicht geschehen.
    »Dann fährst du zurück nach New
York?«, fragte sie, obwohl sie an der Frage fast erstickte.
    »Ich nehme das nächste Schiff, habe
ich mir gedacht. Meine Ingenieure sind ziemlich aufgeregt, was den Fortschritt
bei der Entwicklung unseres Automobils angeht. Meinem Geschäftsführer läuft das
Wasser im Mund zusammen, wenn er an die Absatzmöglichkeiten denkt«, erwiderte
er, als hätte seine Abreise rein gar nichts mit dem bevorstehenden Ende ihrer
Ehe zu tun. »Falls du übrigens weitere Bahnstrecken kaufen willst, solltest du
Ende dieses, Anfang nächsten Jahres in die Staaten kommen.«
    »Das werde ich mir merken«,
antwortete sie ganz benommen.
    Er erhob sich, sie ebenfalls.
    »Von jetzt an wirst du dich kaum vor
jungen Damen retten können, die es auf dein Vermögen abgesehen haben«,
sagte sie und hoffte, dass ihr kurzes Auflachen hinreichend über ihre
Traurigkeit hinwegtäuschte.
    »Nicht nur auf das Vermögen, auch
auf meinen zukünftigen Titel.« Er lächelte. »Und dann wollen wir nicht
vergessen, wie viele Frauen außerdem auch so schon ganz fasziniert von mir sind.«
    »Ja, gerade vor denen sei bloß auf
der Hut!«
    Nicht weinen. Jetzt nur nicht
weinen.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass
auf einmal sie diejenige war, die ihn nicht gehen lassen wollte. Nachsichtig
entzog er ihr nicht seine Hand, die Gigi voller Panik umklammert hielt. Er war
fertig mit ihr, hatte alles gesagt, was zu sagen gewesen war.
    Lass los, befahl sie sich in
Gedanken. Loslassen, loslassen.
    Als sie der eigenen Aufforderung
schließlich Folge leistete, geschah dies nicht durch einen Akt der Willenskraft.
Ihre Hand löste den Griff und rutschte aus der seinen, weil es ihr von nun an
nicht mehr gestattet war, ihn einfach zu berühren, wann immer sie sich gerade
danach sehnte. Dieses
Privileg hatte sie verloren.
    »Dann auf Wiedersehen.« Gigi
nickte. »Eine sichere Reise wünsche ich.«
    »Und ich dir Glück«, entgegnete
er steif. Er beugte sich vor und küsste sie kurz auf die Wange. »Abschied tut
immer weh.«
    Oh nein, dieser Abschied tat nicht
einfach nur weh, ihr kam es vor, als würde Zerberus, der Höllenhund, ihr das
Herz zerreißen. Resigniert beobachtete sie, wie Camden sie verließ, aus ihrem
Leben verschwand.
    Diesmal für
immer.

Kapitel 26
    London, den 25. August
    Meine liebste Philippa,
    bitte verzeih, dass mein Brief
gestern erst so spät eintraf. In den letzten Tagen besaß das Licht besonders
am späten Nachmittag eine geradezu goldene Qualität, wenn es auch weniger
intensiv und kälter wirkt als im Hochsommer. Miss Carlisle findet, ich habe mit
»Nachmittag im Park« großartige Fortschritte gemacht.
    Ansonsten kehrt alles langsam, aber
sicher nach London zurück. Gestern Abend war ich zum Dinner bei den Carlisles
und machte mich mit der Bemerkung zum Esel,
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